Flüstern in der Nacht
mit einem letzten wilden Aufschrei nach rückwärts geschleudert, krachte gegen einen Sessel und fiel zu Boden; das Blut sprudelte aus ihm heraus wie aus einem makabren Springbrunnen, er zuckte, gurgelte, krallte sich in den Teppich, biß sich in den verwundeten Arm und blieb schließlich bewegungslos liegen.
Keuchend, zitternd, fluchend schob Tony den Revolver ins Halfter und taumelte zum Telefon, das er auf einem der Lampentische entdeckte. Er wählte Null, erklärte der Vermittlung seinen Dienstgrad, Aufenthaltsort und sagte, was er benötigte. »Zuerst die Ambulanz und dann die Polizei!« »Ja, Sir«, meinte die Frau am anderen Ende. Er legte auf und hinkte in die Küche.
Frank Howard lag immer noch ausgestreckt in all dem Durcheinander auf dem Boden. Er hatte es fertiggebracht, sich auf den Rücken zu rollen, war aber nicht weitergekommen. Tony kniete neben ihm nieder.
Frank schlug die Augen auf. »Bist du verletzt?« fragte er mit schwacher Stimme. »Nein«, meinte Tony. »Hast du ihn erwischt?« »Yeah.« »Tot?« »Yeah.« »Gut.«
Frank sah schrecklich aus. Sein Gesicht war kreidebleich und über und über mit Schweiß bedeckt. Das Weiße in seinen Augen hatte einen ungesund gelblichen Schimmer, der vorher nicht dagewesen war, und das rechte Auge schien blutunterlaufen. Seine Lippen wirkten bläulich; seine rechte Schulter und der Jackettärmel waren blutdurchtränkt. Seine linke Hand krampfte sich über der Bauchwunde, aber unter seinen weißen Fingern drang eine Menge Blut hervor. Sein Hemd und der obere Teil seiner Hose schienen feucht und klebrig. »Tut's sehr weh?« fragte Tony.
»Anfangs war es ganz schlimm. Ich konnte einfach nicht aufhören zu schreien. Aber jetzt fängt es an, besser zu werden. Bloß ein dumpfes Brennen im Bauch.« Tonys Aufmerksamkeit hatte sich so auf Bobby Valdez konzentriert, daß er Franks Schreie nicht hörte. »Meinst du, eine Aderpresse am Arm würde helfen?« »Nein. Die Wunde ist zu weit oben. An der Schulter. Dort kannst du nichts abbinden.«
»Hilfe ist unterwegs«, meinte Tony. »Ich habe angerufen.« Draußen vernahm man in der Ferne das Heulen von Sirenen. Für eine Ambulanz oder einen Streifenwagen, die auf seinen Anruf kamen, war das noch zu früh. Jemand mußte die Polizei verständigt haben, als die Schießerei anfing. »Das werden ein paar Beamte in Uniform sein«, meinte Tony. »Ich gehe ihnen entgegen. Im Streifenwagen ist immer ein guter Erste-Hilfe-Kasten.« »Laß mich nicht allein.«
»Aber wenn die einen Erste-Hilfe-Kasten haben –« »Ich brauche mehr als Erste Hilfe. Laß mich nicht allein«, wiederholte Frank flehentlich.
»Okay.« »Bitte.«
»Okay, Frank.« Beide fröstelten.
»Ich will nicht allein sein«, bettelte Frank. »Ich bleib schon hier.«
»Ich hab versucht, mich aufzusetzen«, wisperte Frank. »Bleib' nur liegen.« »Ich konnte mich nicht aufsetzen.« »Das kommt alles wieder in Ordnung.« »Vielleicht bin ich gelähmt.«
»Du hast einen schrecklichen Schock, das ist alles. Und etwas Blut hast du wohl auch verloren. Natürlich bist du geschwächt.«
Die Sirenen verhallten klagend vor dem Gebäudekomplex. »Die Ambulanz kann nicht mehr weit sein«, meinte Tony. Frank schloß die Augen, zuckte zusammen und stöhnte. »Das kommt alles wieder in Ordnung, Kumpel.« Frank schlug die Augen auf. »Komm' mit mir ins Krankenhaus.«
»Ja, selbstverständlich.« »Fahr' in der Ambulanz mit.« »Ich weiß nicht, ob die das erlauben.« »Dann bring' sie dazu.« »Also gut.«
»Ich will nicht allein bleiben.«
»Okay«, erklärte Tony. »Ich bring' die dazu, mich in die verdammte Ambulanz hineinzulassen, selbst wenn ich dafür den Revolver ziehen muß.«
Frank lächelte dünn, aber dann brannte ein stechender Schmerz ihm das Lächeln vom Gesicht. »Tony?« »Was ist denn, Frank?« »Würdest du ... meine Hand halten?« Tony ergriff die rechte Hand seines Partners. Der Schuß war durch die rechte Schulter gegangen. Tony dachte, Frank würde den Arm deshalb nicht benützen können; aber die kalten Finger schlossen sich mit erstaunlicher Kraft um Tonys Hand.
»Weißt du, was?« fragte Frank. »Was?«
»Du solltest tun, was er gesagt hat.« »Was wer gesagt hat?«
»Eugene Tucker. Du solltest abspringen. Das Risiko eingehen. Das tun, was du wirklich möchtest.«
»Mach' dir um mich keine Sorgen. Du brauchst jetzt deine ganze Energie, um wieder gesund zu werden.« Frank wurde unruhig. Er schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nein. Du mußt
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