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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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dann Verstummte das scheußliche Wispern langsam, und das kriechende Ding kroch davon. Ein paar Augenblicke lang blieb er zusammengekrümmt liegen, wie ein Fötus, und weinte vor Erleichterung.
     
    Eine Stunde später, nach einem Abendessen im McDonald's, war er nach Westwood gefahren. Er fuhr ein halbes Dutzend Mal am Haus vorbei und parkte schließlich an einer Stelle, an die das Licht der Straßenlaterne nicht heranreichte, beobachtete ihr Haus die ganze Nacht. Sie war weg.
    Er hatte die Leinenbeutel voll Knoblauch und die zugespitzten Holzpflöcke und das Kruzifix und das Fläschchen mit Weihwasser bei sich. Er hatte die zwei scharfgeschliffenen Messer und eine kleine Holzfälleraxt, mit der er ihr den Kopf abschlagen konnte. Und er besaß den Mut und den Willen und die Entschlossenheit. Aber sie war fort.
    Als er schließlich begriff, daß sie sich abgesetzt hatte, vielleicht tage- oder wochenlang nicht wiederkommen würde, war er vor Wut außer sich. Er verfluchte sie und weinte vor Enttäuschung.
    Dann gewann er langsam seine Fassung wieder. Er sagte sich, daß noch nicht alles verloren sei. Er würde sie finden. Er hatte sie schon so oft gefunden.

6
     
    Am Mittwochmorgen flog Joshua Rhinehart die kurze Strecke nach San Franzisko mit seiner eigenen Cessna Turbo Skylane RG. Dieser Traum von einem Flugzeug erreichte eine Reisegeschwindigkeit von 173 Knoten und hatte eine Reichweite von über tausend Meilen.
     
    Vor drei Jahren, kurz nach Coras Tod, hatte er Flugunterricht genommen. Es war fast sein ganzes Leben lang sein Traum gewesen, einmal den Pilotenschein zu machen, doch bis zu seinem achtundfünfzigsten Lebensjahr fand er nie die Zeit dafür. Nach Coras unerwartetem Tod erkannte er, daß er ein Narr gewesen war, ein Narr, der sich eingebildet hatte, der Tod wäre ein Unglück und stieße nur anderen Leuten zu. Er verbrachte sein Leben bisher so, als gäbe es einen unendlichen Vorrat, als könnte man es verbrauchen und verbrauchen, leben und leben, und das in alle Ewigkeit. Er dachte, einmal endlos Zeit zu haben, um all die Traumreisen nach Europa und in den Orient zu unternehmen, endlos Zeit, um sich zu entspannen, zu reisen und sich zu vergnügen; und deshalb schob er Kreuzfahrten und Ferien immer vor sich her, schob sie anfangs hinaus, bis die Anwaltskanzlei etabliert war, und dann, bis die Hypotheken alle abbezahlt waren, die sie auf ihren umfangreichen Immobilienbesitz aufgenommen hatten, und dann, bis die Traubenzucht sich stabilisiert hatte, und dann ... Und plötzlich ging Cora die Zeit aus. Sie fehlte ihm schrecklich, und es erfüllte ihn unendliches Bedauern, wenn er an all die aufgeschobenen Dinge dachte. Er und Cora waren zusammen in mannigfacher Weise glücklich gewesen. Ihr Zusammenleben verlief ausnehmend harmonisch, nach den meisten Maßstäben geradezu herausragend. Nie fehlte ihnen irgend etwas – weder Nahrung noch Unterkunft, noch ein angemessener Anteil an Luxusgütern. Es war immer genügend Geld vorhanden. Aber nie genügend Zeit. Er konnte einfach nicht umhin, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was gewesen wäre, wenn ... Er konnte Cora nicht wieder zum Leben erwecken, aber zumindest schien er fest entschlossen, sich all die Freuden zu leisten, die er sich in den verbleibenden Jahren noch gönnen konnte. Nie zur Geselligkeit neigend und neun von zehn Leuten als armselige Ignoranten und/oder böse verurteilend, ging er den meisten seiner Vergnügungen allein nach; aber trotz seines Hanges zum Alleinsein waren all diese Vergnügungen nicht so befriedigend, wie sie gewesen wären, hätte er sie mit Cora teilen können. Das Fliegen gehörte zu den wenigen Ausnahmen jener Regel. In seiner Cessna hoch über der Erde fühlte er sich von allem befreit, was einen einengte, nicht nur von den Banden der Schwerkraft, sondern auch von den Ketten des Bedauerns, des Leidens.
     
    Joshua landete kurz nach neun in San Franzisko und fühlte sich von dem Flug erfrischt, gleichsam wie ein neuer Mensch. Eine Stunde darauf schüttelte er in der First Pacific United Bank Mr. Ronald Preston die Hand, mit dem er am Dienstagnachmittag telefoniert hatte.
    Preston war einer der Vizepräsidenten der Bank, sein Büro dementsprechend luxuriös eingerichtet. Es standen eine Menge gepolsterte Ledersessel und viel poliertes Teakholz herum, ein gepolstertes, luxuriöses, fettes Büro. Preston andererseits erschien hager, ja geradezu dünn; er wirkte brüchig, zerbrechlich, war gebräunt und trug einen

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