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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Informationen bezüglich der Frye-Zwillinge bereithielte, würden weder Hilary noch Joshua die aus ihr herausholen können. Tony erkannte das ganz klar, auch wenn Hilary und Joshua das selbst nicht spürten. Jeden Augenblick könnte einer von beiden etwas Scharfes, Zorniges sagen, etwas Beißendes, Bitteres; dann wäre die alte Frau beleidigt und würde sie alle aus dem Haus weisen.
     
    Tony spürte, daß Hilary von den Parallelen zwischen den Qualen ihrer Kindheit und denen Katherines tief ergriffen schien. Die Einstellung, die Rita Yancy vertrat, reizte sie – das moralisierende Gehabe, die kurzen Augenblicke unechter, sirupartiger Sentimentalität und die viel echtere, andauernde, erschütternde Kaltschnäuzigkeit.
    An Joshua nagte so etwas wie schlechtes Gewissen; schließlich arbeitete er fünfundzwanzig Jahre lang im Dienste Katherines, ohne ihr gestörtes Bewußtsein erkannt zu haben, das zweifellos unter ihrem sorgfältig kontrollierten Gleichmut gebrodelt haben mußte. Er empfand Ekel über sich selbst und schien deshalb noch reizbarer zu sein. Mrs. Yancy bildete selbst unter normalen Umständen die Art Mensch, die Joshua zutiefst verachtete, so lag bei ihm ein Ausbruch förmlich in der Luft.
    Tony erhob sich vom Sofa und ging zu dem Fußschemel vor Rita Yancys Sessel. Er setzte sich hin und tat so, als würde er bloß die Katze streicheln wollen. Aber indem er den Platz wechselte, bezog er zwischen der alten Frau und Hilary Position und versperrte damit gleichzeitig Joshua den Weg, weil Joshua so wirkte, als wollte er Mrs. Yancy jeden Augenblick packen und schütteln. Der Fußschemel eignete sich gut dazu, um von dort aus das Verhör in beiläufiger Weise fortzusetzen. Während Tony die weiße Katze streichelte, plauderte er unablässig mit der alten Frau, schmeichelte sich bei ihr ein, machte sich bei ihr lieb Kind und setzte die alte Clemenza-Methode ein, die ihm bei seiner Polizeiarbeit schon so oft gute Dienste erwiesen hatte.
    Schließlich fragte er sie, ob es bei der Geburt der Zwillinge irgendwelche ungewöhnlichen Vorkommnisse gegeben hätte. »Ungewöhnlich?« fragte Mrs. Yancy perplex. »Finden Sie denn nicht die ganze Geschichte ungewöhnlich?« »Natürlich«, meinte er. »Ich habe meine Frage nicht besonders gut formuliert. Ich wollte vielmehr fragen, ob Ihnen an der Geburt selbst irgend etwas Besonderes auffiel, irgend etwas an den Wehen oder am ursprünglichen Zustand der Babys, als sie zur Welt kamen – irgendeine Abnormalität oder etwas Eigenartiges.« Er sah einen Funken Überraschung in ihren Augen, so als hätte seine Frage in ihrem Erinnerungsvermögen einen Schalter betätigt.
    »Ja, tatsächlich«, antwortete sie, »da gab es etwas Ungewöhnliches.«
    »Lassen Sie mich raten«, meinte er. »Beide Babys sind mit Glückshauben auf die Welt gekommen.« »Das ist richtig! Woher wußten Sie das?« »Nur eine Vermutung.«
    »Daß ich nicht lache!« Sie drohte ihm mit dem Finger. »Sie sind viel schlauer, als Sie vorgeben.«
    Er zwang sich dazu, sie anzulächeln. Er mußte sich zwingen, denn an Rita Yancy war nichts, das ihn zu einem Lächeln veranlassen konnte.
    »Sie sind beide mit Glückshauben zur Welt gekommen«, sagte sie. »Ihre kleinen Köpfe waren fast völlig bedeckt. Der Doktor hatte so etwas natürlich schon früher gesehen und wußte auch, was zu tun war. Trotzdem meinte er, die Wahrscheinlichkeit, daß beide Zwillinge Glückshauben haben, läge etwa bei eins zu einer Million.«
    »Wußte Katherine das?«
    »Ob sie von den Glückshauben wußte? Zu der Zeit nicht. Sie befand sich vor Schmerz im Delirium. Und dann war sie drei Tage lang überhaupt nicht zurechnungsfähig.« »Und später?«
    »Später hat man ihr sicher davon erzählt«, erwiderte Mrs. Yancy. »So etwas vergißt man ja schließlich nicht, einer Mutter mitzuteilen. Ja ... ich erinnere mich jetzt, daß ich es ihr selbst gesagt habe. Ja. Ganz deutlich erinnere ich mich. Sie war fasziniert. Wissen Sie, manche Leute glauben, daß ein Kind, das mit einer Glückshaube zur Welt kommt, die Gabe des zweiten Gesichts besitzt.« »Hat Katherine das geglaubt?«
    Rita Yancy runzelte die Stirn. »Nein. Sie sagte, das sei ein schlechtes Omen, nicht etwa ein gutes. Leo interessierte sich sehr für übernatürliche Dinge, und Katherine hatte wohl einige Bücher aus seiner Sammlung gelesen. In einem der Bücher stand, wenn Zwillinge mit Glückshauben zur Welt kämen, sei das ... ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, was

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