Flüstern in der Nacht
dem alten gibt es keine Elektrizität. Da müssen wir bis morgen warten.«
»Okay«, meinte Laurenski. »Aber das Haus auf dem Weingut sehe ich mir heute noch an.« »Jetzt gleich?« fragte Joshua und stand auf. »Wir haben alle noch nicht zu Abend gegessen«, erklärte Laurenski. Der Sheriff hatte schon während des Tatsachenberichtes über Dr. Rudge und Rita Yancy seine Frau angerufen, um ihr mitzuteilen, daß es sehr spät werden würde. »Gehen wir in den Schnellimbiß um die Ecke und nehmen wir dort eine Kleinigkeit zu uns. Dann können wir zu Frye hinausfahren.« Ehe sie weggingen, teilte Laurenski der Telefonistin vom Nachtdienst mit, wo sie sie erreichen könnte und bat sie, ihm sofort Bescheid zu sagen, falls die Polizei von Los Angeles durchgeben sollte, daß der zweite Bruno Frye verhaftet sei. »So einfach wird das nicht sein«, meinte Hilary. »Da hat sie wahrscheinlich recht«, unterstrich Tony. »Bruno hat es geschafft, vierzig Jahre lang ein unglaubliches Geheimnis zu bewahren. Er mag verrückt sein, aber schlau auch. So schnell wird ihn die Polizei nicht festnageln können. Das gibt noch ein langwieriges Katz-und-Maus-Spiel.«
Draußen dunkelte es allmählich, und Bruno schloß die Läden im Speicherraum wieder.
Jetzt standen Kerzen auf den beiden Nachttischen, und zwei auf der Kommode. Die flackernden gelben Flammen brachten an den Wänden und der Decke lange Schattenzungen zum Tanzen. Bruno wußte, daß er längst schon draußen nach Hilary-Katherine suchen sollte, aber er brachte einfach die Energie nicht auf, sich auf den Weg zu machen. Er zögerte es immer wieder hinaus. Er war hungrig. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er seit gestern nichts mehr zu sich genommen hatte. Sein Magen grollte. Eine Weile saß er neben der Leiche mit ihren glasigen Augen auf dem Bett und versuchte sich darüber klarzuwerden, wie er sich etwas zu essen beschaffen könnte. In der Speisekammer standen noch ein paar Konserven, die nicht geplatzt waren; aber er vertrat die Überzeugung, alles, was auf den Regalen stünde, müsse verdorben und giftig sein. Er quälte sich fast eine Stunde lang mit dem Problem herum und versuchte, sich etwas einfallen zu lassen, wo er etwas zu essen auftreiben und trotzdem vor Katherines Spionen sicher sein könnte. Sie steckten überall. Das Miststück und ihre Spione. Überall. Sein Gemütszustand ließ sich immer noch als verwirrt beschreiben, und, obwohl er Hunger empfand, fiel es ihm schwer, seine Gedanken auf das Essen zu konzentrieren. Zu guter Letzt erinnerte er sich daran, daß sich im unteren Haus etwas zu essen befand. Die Milch war sicherlich sauer geworden und das Brot hart; aber seine Speisekammer steckte voller Konserven, und der Kühlschrank enthielt Käse und Obst. Und dann gab es noch Eiskrem in der Tiefkühltruhe. Der Gedanke an Eiskrem ließ ihn strahlen wie einen kleinen Jungen. Von der Vision auf Eiskrem angetrieben, in der Hoffnung, ein gutes Abendessen würde ihm die Energie liefern, die er brauchte, um die Suche nach Hilary-Katherine aufzunehmen, verließ er den Dachboden und arbeitete sich mit Hilfe einer Kerze im Haus nach unten. Draußen blies er die Flamme aus und steckte die Kerze in eine Jackettasche. Er kletterte die baufälligen Treppenstufen an der Klippe hinunter und machte sich dann auf den Weg durch die dunklen Weingärten.
Zehn Minuten später, in seinem eigenen Haus angelangt, riß er ein Streichholz an und entzündete die Kerze erneut, weil er Angst hatte, unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wenn er das Licht anknipste. Er holte einen Löffel aus einer Schublade neben dem Ausguß, nahm einen Behälter mit Schokoladeneis aus der Tiefkühltruhe, saß über eine Viertelstunde lang am Tisch und aß lächelnd aus dem Karton, bis er zu voll war, um noch einen Bissen hinunterzubekommen.
Er ließ den Löffel in den halb leergegessenen Behälter fallen, stellte ihn in die Tiefkühltruhe zurück und kam auf den Gedanken, daß er Konserven zusammenpacken sollte, um sie in das obere Haus mitzunehmen. Vielleicht würde es Tage dauern, bis er Hilary-Katherine fand und sie töten konnte, und bis dahin wollte er nicht wegen jeder Mahlzeit hierherschleichen müssen. Über kurz oder lang würde das Miststück auf die Idee kommen, einen ihrer Spione hierherzuschicken, um nach ihm Ausschau zu halten, und dann würde sie ihn fangen. Aber in dem Haus auf der Klippe würde sie nie nach ihm suchen, in einer Million Jahren nicht, und deshalb mußte
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