Flüstern in der Nacht
nahm er sie mit, während er sich aus der Nische schob. Er schlurfte Richtung Ausgang und richtete es so ein, daß sein Fuß sich an einem Stuhlbein direkt auf der Höhe der beiden Paare verfing. Er stolperte leicht, gewann sein Gleichgewicht zurück, lehnte sich an die überraschten jungen Leute und ließ dabei die Bierflasche sehen, wollte Betrunkenheit mimen. Seine Stimme blieb leise, denn er wollte die anderen Gäste im Restaurant nicht auf seine inszenierte Auseinandersetzung aufmerksam machen. Mit zweien würde er sicher fertigwerden, nicht aber mit einer ganzen Armee. Er sah den kräftigeren der beiden jungen Männer mit glasigen Augen an, grinste breit und sagte dann mit bösartig klingender Stimme, die sein Lächeln Lügen strafte: »Versperr' mir nicht mit deinem blöden Stuhl den Weg, du Scheiß-Spick.« [Spick: Slang-Bezeichnung für Mexikaner. — Anmerkung des Übersetzers.]
Der Fremde schaute ihn lächelnd an in der Hoffnung auf eine halbtrunkene Entschuldigung. Nach dieser Beleidi-
gung allerdings verfinsterte sich sein breites braunes Gesicht zur Ausdruckslosigkeit, und seine Augen verengten sich. Ehe der Mann aufstehen konnte, drehte Frye sich blitzschnell zu dem anderen um und sagte: »Warum suchst du dir eigentlich kein Klasseweib wie die Blondine dort hinten? Was willst du denn mit diesen zwei schmierigen Nutten?« Dann trat er schnell auf die Tür zu, damit die Prügelei ja nicht im Restaurant beginnen würde. Glucksend in sich hineinlachend schob er sich durch die Tür, taumelte in die neblige Nacht hinaus und eilte um das Gebäude herum auf den Parkplatz an der Nordseite zu, um dort zu warten. Er stand nur noch wenige Schritte von seinem Kombi entfernt, als einer der Männer plötzlich hinter ihm mit starkem spanischen Akzent rief: »He! Wart' mal, Mann!« Frye drehte sich um, spielte noch immer den Betrunkenen und schwankte, als könnte er sein Gleichgewicht nicht finden. »Was gibt's denn?« fragte er dümmlich. Sie blieben nebeneinander stehen, zwei schemenhafte Gestalten im Nebel. Der kleinere, kräftigere der beiden erklärte: »He, was zum Teufel bilden Sie sich eigentlich ein, Mann?« »Wollt ihr Spicks euch vielleicht mit mir anlegen?« fragte Frye mit lallender Stimme. »Cerdo!« sagte der eine. »Mugriento cerdo!« ergänzte der Schlankere. »Verdammt noch mal, laßt doch diese blöde Affensprache!« meinte Frye. »Wenn ihr etwas zu sagen habt, redet gefälligst Englisch.«
»Miguel hat Sie Schwein genannt«, erklärte der Schlanke. »Und ich dreckiges Schwein.«
Frye grinste und machte eine obszöne Geste. Miguel, der Kräftigere, griff an, und Frye wartete regungslos, als würde er ihn nicht kommen sehen. Miguel rannte mit eingezogenem Kopf und erhobenen Fäusten auf ihn zu, die Arme dicht an den Seiten. Er versetzte Frye zwei schnelle Fausthiebe auf den eisenharten Leib. Die harten Schläge des Mexikaners erzeugten scharfe, klatschende Geräusche, aber Frye steckte sie weg, ohne zu zucken. Er hielt noch immer die Bierflasche in der Hand und zerschmetterte sie jetzt auf Miguels Schädel. Das Glas explodierte und regnete klirrend zu Boden. Bier und Bierschaum bespritzten die beiden Männer. Miguel sank mit einem schrecklichen Stöhnen zu Boden, als hätte man ihm einen Axthieb verpaßt. »Pablo«, rief er seinem Freund hilfeflehend zu. Frye packte den Kopf des Verletzten mit beiden Händen und rammte ihm sein Knie unter das Kinn. Miguels Zähne krachten mit einem häßlichen Laut zusammen. Als Frye ihn losließ, sank der Mann bewußtlos zur Seite, sein Atem gurgelte laut in der blutigen Nase.
Während Miguel auf dem nebelfeuchten Pflaster lag, griff Pablo Frye an. Er hatte ein Messer mit langer schmaler Klinge, wahrscheinlich ein Klappmesser, vermutlich beidseitig geschliffen und so gefährlich wie eine Rasierklinge. Der Schlanke griff nicht wie Miguel blindlings an, sondern bewegte sich schnell, elegant, fast wie ein Tänzer, glitt um Frye herum, suchte rechts nach einer ungedeckten Stelle, tänzelte schnell und stach dann blitzschnell zu, wie eine Schlange. Das Messer blitzte von links nach rechts, und wäre Frye nicht hastig zurückgesprungen, so hätte es ihm sicher den Leib bis zu den Gedärmen aufgerissen. Mit einem unheimlichen Summen drängte Pablo vor, stach immer wieder zu, von links nach rechts, von rechts nach links. Frye zog sich zurück, studierte aber unentwegt die Art und Weise, wie Pablo das Messer einsetzte. Schließlich mit dem Rücken an seinen Dodge
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