Flüstern in der Nacht
den Pflasterweg direkt vor Tony hin. Sie saß mitten auf dem Weg und starrte ihn an, die Augen nach hinten gerollt, um den richtigen Winkel zu haben; ihr winziger grünbrauner Brustkorb hob und senkte sich schnell.
Tony sah die Kröte an und meinte: »Hab' ich zu schnell aufgegeben?«
Die kleine Kröte gab ein krächzend-piepsendes Geräusch von sich.
»Was hab' ich schon zu verlieren?« fragte Tony. Die Kröte krächzte und piepste wieder. »So seh' ich das auch. Ich hab doch nichts zu verlieren.« Er lief vorsichtig um den kleinen amphibischen Amor herum und klingelte. Er spürte, wie Hilary Thomas ihn durch die Linse des Türspions musterte. Als sie eine Sekunde darauf die Tür öffnete, fing er hemmungslos zu reden an, ehe sie etwas sagen konnte: »Bin ich schrecklich häßlich?« »Was?«
»Sehe ich aus wie Quasimodo oder so jemand?« »Wirklich, ich ...« »Ich bohre auch nicht in der Öffentlichkeit in meinen Zähnen herum«, meinte er. »Lieutenant Clemenza ...« »Oder ist es, weil ich Polizist bin?« »Was?«
»Wissen Sie, was manche Leute glauben?« »Was glauben manche Leute denn?« »Sie glauben, daß Bullen nicht gesellschaftsfähig sind.« »Nun, zu den Leuten gehöre ich nicht.« »Sie sind also kein Snob?« »Nein. Ich habe nur ...«
»Vielleicht haben Sie mir einen Korb gegeben, weil ich nicht viel Geld besitze und nicht in Westwood wohne.« »Lieutenant, ich besaß die meiste Zeit meines Lebens kein Geld und habe auch nicht immer in Westwood gelebt.« »Dann frage ich Sie, was an mir nicht in Ordnung ist«, beharrte er und schaute mit gespielter Verblüffung an sich herunter. Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »An Ihnen ist alles in Ordnung, Lieutenant.« »Gott sei Dank!«
»Wirklich, ich habe nur aus einem Grund nein gesagt. Ich habe keine Zeit für ...«
»Miss Thomas, selbst der Präsident der Vereinigten Staaten schafft es, sich hier und da einen Abend freizunehmen. Selbst der oberste Boß von General Motors verfügt über Freizeit. Selbst der Papst. Selbst Gott hat sich am siebenten Tag ausgeruht. Niemand kann die ganze Zeit über nur arbeiten.« »Lieutenant ...« »Sagen Sie Tony zu mir.«
»Tony, nach all dem, was ich die letzten beiden Tage durchgemacht habe, fürchte ich, daß ich keinen sehr lustigen Gesprächspartner abgäbe.«
»Wenn ich zum Abendessen gehen wollte, um lustig zu sein, könnte ich mir auch ein paar Affen mitnehmen.« Sie lächelte wieder, und er wünschte sich nichts so sehr, als ihr schönes Gesicht in beide Hände zu nehmen und sie zu küssen.
»Es tut mir leid«, entgegnete sie. »Aber ich muß ein paar Tage allein sein.«
»Genau das müssen Sie, nach all dem, was hinter Ihnen liegt, nicht. Sie müssen ausgehen, unter Leute gehen, auf andere Gedanken kommen. Und ich bin sicher nicht der einzige, der so denkt.«
Er drehte sich um und deutete auf den Plattenweg. Die Kröte saß immer noch da. Sie hatte sich jetzt umgedreht und sah die beiden an.
»Fragen Sie Miss Kröte«, meinte Tony. »Miss Kröte?«
»Eine Bekannte von mir. Eine sehr kluge Person.« Tony bückte sich und starrte die Kröte an. »Hat sie es nicht nötig, auszugehen und ein wenig Spaß zu haben, Miss Kröte?« Sie blinzelte mit ihren schweren, trägen Lidern und gab ihr komisches kleines Geräusch genau auf das Stichwort hin von sich.
»Du hast völlig recht«, antwortete Tony. »Und findest du nicht auch, daß ich derjenige bin, mit dem sie ausgehen sollte?« »Quaa-aak«, machte die Kröte.
»Und was wirst du mit ihr machen, wenn sie mir wieder einen Korb gibt?« »Quaak, quaak.«
»Ah«, lachte Tony und nickte befriedigt, während er sich aufrichtete.
»Nun, was hat sie gesagt«, fragte Hilary grinsend. »Was wird sie mit mir machen, wenn ich nicht mit Ihnen ausgehe – krieg' ich dann Warzen?«
Tony schaute wieder ernst. »Viel schlimmer. Sie sagt, sie will sich ins Haus schleichen, in Ihr Schlafzimmer hüpfen und jede Nacht so laut quaken, daß Sie so lange nicht mehr schlafen können, bis Sie nachgeben.« Sie lächelte. »Okay. Ich gebe auf.« »Samstagabend also?« »Gut.«
»Ich hol' Sie um sieben ab.« »Was soll ich anziehen?« »Etwas Legeres«, meinte er.
»Also Samstag um sieben.« Er wandte sich an die Kröte und sagte dann: »Vielen Dank, Miss Kröte.«
Die hüpfte ins Gras und verschwand dann im Gebüsch. Tony schaute Hilary an. »Dankbarkeit ist ihr peinlich.« Sie lachte und schloß die Tür.
Tony ging zum Wagen zurück und stieg vergnügt pfeifend
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