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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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aufhören, ständig über die Schultern zu blicken, mußt dein Leben weiterführen. Sonst endest du noch in einer Gummizelle. Sie kuschelte sich wieder in den Sessel. Aber plötzlich war ihr kalt; sie hatte eine Gänsehaut an den Armen. Sie ging zum Schrank, holte sich eine blau-grün karierte Afghandecke, wankte zum Stuhl zurück und legte sich die Decke über die Beine.
    Sie nahm einen Schluck Dry Sack. Dann fing sie wieder an, Clavell zu lesen. Nach einer Weile hatte sie den Telefonanruf vergessen.
    Nachdem Tony sich abgemeldet hatte, fuhr er nach Hause, wusch sich das Gesicht, zog Jeans und ein blaukariertes Hemd an, schlüpfte in ein dünnes beigefarbenes Jackett und ging die zwei Straßen zum Bolt Hole zu Fuß. Frank saß bereits da; saß, immer noch in Anzug und Krawatte, in einer Nische ziemlich weit hinten und hatte einen Scotch vor sich stehen.
    The Bolt Hole – oder einfach The Hole, wie es die Stammgäste nannten – gehörte jener seltenen und vom Aussterben bedrohten Gattung gemütlicher Bars an. In den letzten zwei Jahrzehnten hatte sich das amerikanische Beherbergungsgewerbe zumindest in den Städten und Vorstädten einer wahren Orgie der Spezialisierung hingegeben, als Reaktion auf eine sich immer weiter verästelnde Kultur. Aber The Hole lehnte sich erfolgreich gegen den Trend auf. Es handelte sich weder um eine Schwulen-, noch um eine Single- oder Pärchen-Bar. Es war auch keine Bar speziell für Motorradfahrer, Fernfahrer, Typen aus dem Showgeschäft oder Polizisten außer Dienst; ihre Kundschaft stellte einfach eine Mischung dar, irgendwie stellvertretend für die Umgebung. The Hole war auch keine Go-go-Bar, keine Rock'n'Roll-Bar und auch keine Country & Western-Bar. Und Gott sei Dank war sie auch keine Sport-Bar mit einem jener riesigen, zwei Meter hohen Fernsehschirme und Howard Cosells Stimme in Quadrophonie. The Hole bot also lediglich gemütlich gedämpfte Beleuchtung, Sauberkeit, Höflichkeit, bequeme Hocker und Nischen, eine nicht zu laute Musikbox, Hot Dogs und Hamburger aus einer winzigen Küche und gute Drinks zu vernünftigen Preisen.
    Tony schob sich in die Nische und setzte sich Frank gegenüber.
    Penny, eine rotblonde Kellnerin mit Grübchen in Wangen und Kinn, trat an ihren Tisch. Sie zerzauste Tony das Haar und meinte: »Was wünschen Sie denn, Renoir?« »Eine Million in bar, einen Rolls Royce, das ewige Leben und den Beifall der Massen«, meinte Tony. »Und womit wären Sie zufrieden?« »Mit einer Flasche Coors.«
    »Die können wir liefern«, erwiderte sie. »Bringen Sie mir noch einen Scotch«, sagte Frank. Als sie zur Bar ging, um die Drinks zu holen, meinte Frank: »Warum nennt sie dich Renoir?« »Das war ein berühmter französischer Maler.« »Und?«
    »Nun, ich bin auch Maler. Weder französisch noch berühmt. Aber Penny zieht mich immer damit auf.« »Du malst Bilder?« fragte Frank ungläubig. »Häuser ganz bestimmt nicht.« »Wieso hast du das nie erwähnt?«
    »Ich hab' ein paarmal Andeutungen über Kunst gemacht«, antwortete Tony. »Aber du bist nicht darauf eingegangen, genauer gesagt, wirktest alles andere als begeistert. Ebensogut hätte ich über die Grammatik des Suaheli oder den Verwesungsvorgang toter Babys reden können.« »Ölgemälde?« fragte Frank.
    »Öl, Bleistift und Wasserfarben. Auch Tusche. Von jedem etwas, doch hauptsächlich Öl.« »Wie lang machst du das schon?« »Seit meiner Kindheit.« »Hast du schon welche verkauft?« »Ich male nicht, um zu verkaufen.« »Wozu dann?« »Einfach aus Spaß.«
    »Ich würde gerne Arbeiten von dir sehen.« »Mein Museum hat zwar seltsame Öffnungszeiten, aber ich bin sicher, daß sich ein Besuch einrichten läßt.« »Museum?«
    »Meine Wohnung. Möbel stehen dort kaum, aber Gemälde stapeln sich bis zur Decke.« Penny brachte die Getränke.
    Eine Weile herrschte Stille zwischen den beiden, dann redeten sie ein paar Minuten lang über Bobby Valdez, dann herrschte wieder Schweigen.
    In der Bar saßen sechzehn oder achtzehn Leute. Ein paar davon aßen Sandwiches. Die Luft erfüllte ein Duft gebratenen Rinderhacks und angerösteter Zwiebeln.
    Schließlich meinte Frank: »Wahrscheinlich zerbrichst du dir den Kopf darüber, weshalb wir hier sitzen.« »Um einen Schluck zu trinken.«
    »Das auch.« Frank rührte mit einem Cocktailstäbchen in seinem Glas, so daß die Eiswürfel leicht klirrten. »Es gibt da einige Dinge, die ich dir gern sagen möchte.« »Ich dachte, du hättest mir heute morgen schon alles

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