Flüstern in der Nacht
wie eine Parodie des Leids, ein übertrieben hysterisches seltsames Schluchzen, das Albert noch nie zuvor gehört hatte. »Wenn Sie mir sagen, was Sie plagt, kann ich Ihnen vielleicht helfen.« Der Anrufer legte auf.
Albert starrte den Hörer eine Weile lang an, zuckte dann die Achseln und legte auf.
Er versuchte in dem Stephen-King-Roman an der Stelle weiterzulesen, an der man ihn unterbrochen hatte, bildete sich aber immer wieder ein, hinter sich jemanden schlurfen zu hören. Er drehte sich fünf- oder sechsmal um, aber da war nichts.
4
Freitagmorgen. Neun Uhr.
Zwei Männer vom Angel's-Hill-Bestattungsinstitut in West Los Angeles erschienen in der städtischen Leichenhalle, um Bruno Günther Fryes Leiche abzuholen. Sie erklärten, sie würden mit dem Forever-View-Bestattungsinstitut in St. Helena, dem Wohnort des Verstorbenen, zusammenarbeiten. Ein Angestellter des Angel's Hill unterzeichnete das entsprechende Formular. Danach trugen die beiden Männer die Leiche in den Kühlraum einer Cadillac-Leichenlimousine.
Frank Howard machte keinen verkaterten Eindruck. Seine Gesichtshaut wirkte nicht fahl, wie das gewöhnlich nach einer Sauftour der Fall war; er sah gesund und frisch aus. Seine blauen Augen waren klar. Eine Beichte schien tatsächlich für die Seele heilsam zu sein.
Zuerst spürte Tony auf dem Revier und später auch im Wagen die Verlegenheit, mit der er gerechnet hatte, und gab sich redlich Mühe, Frank darüber hinwegzuhelfen. Nach einer Weile erkannte Frank wohl, daß sich zwischen ihnen nichts zum Nachteil verändert hatte; tatsächlich funktionierte ihre Partnerschaft sogar wesentlich besser als in den letzten drei Monaten. Im Lauf des Vormittags entwickelte sich zwischen ihnen ein Maß an Übereinstimmung, das es ihnen möglich machen würde, fast wie ein einziger Organismus zusammenzuarbeiten. Noch erreichten sie nicht jene perfekte Harmonie, die zwischen Tony und Michael Savatino geherrscht hatte, aber zumindest schien es jetzt keine Barrieren mehr zu geben, die einer Entwicklung in dieser Richtung entgegenwirkten. Sie brauchten Zeit, sich einander anzupassen, ein paar Monate vielleicht, doch am Ende gäbe es zwischen ihnen sicherlich eine Art seelischer Bindung, die ihnen die Arbeit vergleichsweise leichter machen würde.
Am Freitag vormittag gingen sie Hinweisen nach, die sie im Fall Bobby Valdez erhalten hatten. Es gab nicht viele Spuren zu verfolgen, und die ersten zwei brachten sie nicht weiter. Die erste Enttäuschung betraf den Bericht der Zulassungsbehörde über Juan Mazquezza. Offenbar benutzte Bobby Valdez eine falsche Geburtsurkunde und sonstige falsche Dokumente und hatte sich unter dem Namen Juan Mazquezza einen gültigen Führerschein verschafft. Die letzte Adresse, die die Zulassungsbehörde liefern konnte, war das Las Palmeras an der La Brea Avenue. Es gab da noch zwei andere Juan Mazquezzas in den Akten der Zulassungsbehörde. Der eine war neunzehn und lebte in Fresno, der andere Juan wohnte mit seinen siebenundsechzig Jahren in Tustin. Sie besaßen beide Fahrzeuge, registriert im Staate Kalifornien, aber keiner hatte einen Jaguar.
Der Juan Mazquezza, der an der La Brae Avenue wohnte, hatte nie einen Wagen angemeldet, und das deutete darauf hin, daß Bobby den Jaguar unter einem weiteren falschen Namen erworben hatte. Offensichtlich kannte er gute Quellen für hervorragend gefälschte Dokumente. Eine Sackgasse also.
Tony und Frank kehrten zur WG-Wäscherei zurück und befragten die Angestellten, die mit Bobby, alias Mazquezza, zusammengearbeitet hatten. Sie hofften darauf, daß irgend jemand mit ihm in Verbindung geblieben war, nachdem er seine Stellung aufgegeben hatte, und wissen würde, wo er sich im Augenblick aufhielt. Aber alle charakterisierten Juan als Einzelgänger. Niemand wußte, wo er hingegangen war. Sackgasse.
Nach der WG gingen sie in ein Pfannkuchenhaus, das Tony sehr schätzte. Neben dem Hauptspeisesaal befand sich eine mit Ziegeln überdachte Terrasse, auf der ein Dutzend Tische unter blau-weiß gestreiften Sonnenschirmen standen. Tony und Frank bestellten sich Salat und Käseomeletts. »Hast du morgen abend etwas vor?« fragte Tony.
»Ich?«
»Ja, du, wer sonst?« »Nein. Nichts.« »Gut. Ich hab' was arrangiert.« »Was denn?«
»Eine Verabredung mit einer Unbekannten.« »Für mich?«
»Du bist die eine Hälfte.« »Ist das dein Ernst?« »Ich hab' sie heute morgen angerufen.« »Vergiß es«, erklärte Frank. »Sie ist genau
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