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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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euch beiden klappen könnte?«
    »Du redest gerade so, als hätten wir vor, zu heiraten. Wir gehen bloß zusammen aus.«
    »Aber selbst wenn ihr nur ausgeht, wird es nicht ... irgendwie peinlich sein?« »Warum sollte es das?« fragte Tony. »Nun, sie hat jede Menge Geld.«
    »Das ist eine typisch männliche chauvinistische Bemerkung, wie ich sie schlimmer nicht kenne.«
    »Du glaubst nicht, daß es da irgendwie Schwierigkeiten geben könnte?«
    »Wenn ein Mann etwas Geld besitzt, darf er dann nur mit Frauen ausgehen, die genausoviel Geld haben?« »Das ist etwas anderes.«
    »Wenn ein König den Entschluß faßt, eine Verkäuferin zu heiraten, dann sind wir alle der Ansicht, das sei romantisch. Aber wenn eine Königin einen Verkäufer heiraten möchte, dann glauben wir, sie ließe sich ausnützen. Wie üblich: zweierlei Maß.«
    »Nun ... viel Glück!« »Dir auch.«
    »Packen wir's wieder?«
    »Yeah«, meinte Tony. »Sehen wir zu, daß wir Bobby Valdez finden.« »Ich könnt' mir auch was Leichteres vorstellen.«
     
    Freitag nachmittag. Ein Uhr.
     
    Der Leichnam lag auf einem Balsamiertisch im Angel's-Hill-Bestattungsinstitut in West Los Angeles. Ein Anhänger am großen Zeh des rechten Fußes identifizierte den Verblichenen als Bruno Günther Frye.
    Ein Mitarbeiter präparierte die Leiche für den Versand nach Napa County. Er wusch sie mit Desinfektionsmittel ab, dann entfernte er die Eingeweide und die anderen weichen Organe durch die einzigen verfügbaren natürlichen Körperöffnungen des Toten und legte sie beiseite. Aufgrund der Stichwunden und der Autopsie vergangene Nacht hatte die Leiche nicht mehr viel Blut oder sonstige Flüssigkeit, aber trotzdem wurden auch noch die letzten Tropfen aus ihr herausgequetscht und durch Balsamierflüssigkeit ersetzt. Der Techniker pfiff leise vor sich hin, während er seine Arbeit erledigte.
    Das Angel's-Hill-Institut war für irgendwelche kosmetischen Arbeiten nicht zuständig; die müßte ein Leichenbestatter in St. Helena vornehmen.
    Der Techniker im Angel's Hill drückte nur die blicklosen Augen für immer zu und nähte die Lippen, die den breiten Mund in einem vagen ewigen Lächeln einfroren, mit ein paar Innenstichen zusammen. Er leistete saubere Arbeit; die Leidtragenden würden von den Stichen nichts bemerken – falls es überhaupt Hinterbliebene gab.
    Anschließend hüllte man den Verblichenen in ein weißes Leichentuch und legte ihn in einen billigen Aluminiumsarg, der den staatlichen Vorschriften für den Versand von Leichen mit öffentlichen Verkehrsmitteln entsprach. In St. Helena würde der Leichnam in einen eindrucksvolleren Sarg kommen, den die Familie oder die Freunde des Toten zuvor auswählen würden. Freitag nachmittag um 16.00 Uhr brachte man die Leiche zum Internationalen Flughafen von Los Angeles und verstaute sie im Laderaum einer Turboprop-Maschine der California Airways mit Kurs Monterey, Santa Rosa und Sacramento. Der Sarg sollte in Santa Rosa wieder aus der Maschine geholt werden.
    Freitag abend um 18.30 Uhr stand niemand von Bruno Fryes Familie auf dem kleinen Flughafen in Santa Rosa. Er hatte keine Verwandten, war der letzte Vertreter seines Namens. Sein Großvater hatte nur ein Kind in die Welt gesetzt, eine reizende Tochter namens Katherine, die ihrerseits keine eigenen Kinder hinterließ. Bruno war adoptiert; und er hatte nie geheiratet.
    Drei Leute warteten hinter dem kleinen Flughafengebäude; zwei gehörten zu dem Bestattungsinstitut Forever View. Mr. Avril Thomas Tannerton, Inhaber der Forever View, einem Institut, das St. Helena und die umliegenden Gemeinden in jenem Teil des Napa-Tales versorgte, war ein Mann mit dreiundvierzig, gutaussehend, etwas dicklich, aber nicht fett, mit dichtem rotblonden Haar, vielen Sommersprossen, lebhaften Augen und einem freundlichen, warmen Lächeln, das er meist nur mit Mühe unterdrücken konnte. Sein vierundzwanzigjähriger Assistent, Gary Olmstead, hatte ihn nach Santa Rosa begleitet, ein unscheinbarer Mann, der selten mehr von sich gab als die Toten, mit denen er zu tun hatte. Tannerton erinnerte unwillkürlich an einen Chorknaben, an eine dünne Schicht echter Pietät über einem stets zu Streichen aufgelegten Kern. Olmsteads langes, traurig wirkendes Asketengesicht paßte dagegen perfekt zu seinem Beruf.
    Der dritte Mann hieß Joshua Rhinehart, fungierte als Bruno Fryes Anwalt und Verwalter des Fryeschen Nachlasses. Mit seinen einundsechzig Jahren sah er aus wie ein erfolgreicher Diplomat oder

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