Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
Beziehung war rein geschäftlicher Natur.«
    Tannerton blinzelte. »Oh. Nun ... dann würden Sie es vielleicht vorziehen, wenn wir uns mit einem der Freunde des Verblichenen in Verbindung setzten, um die nötigen Arrangements zu treffen.« »Ich glaube nicht, daß er welche hatte«, erklärte Joshua.
    Sie starrten die Leiche einige Augenblicke lang stumm an. »Grauenhaft«, äußerte Joshua noch einmal. »Es sind natürlich keinerlei kosmetische Arbeiten vorgenommen worden«, meinte Tannerton. »Überhaupt keine. Hätte ich ihn kurz nach seinem Tod in die Hände bekommen, so würde er jetzt besser aussehen.«
    »Können Sie ... mit ihm irgend etwas anfangen?« »Oh, sicherlich. Aber leicht wird es nicht sein. Er ist schon eineinhalb Tage tot, auch wenn er gekühlt wurde ...« »Diese Wunden«, meinte Joshua mit belegte Stimme und starrte auf die scheußlichen Narben am Unterleib mit einer gewissen morbiden Faszination. »Du lieber Gott, sie hat ihn wirklich zugerichtet.«
    »Das war vorwiegend der Leichenbeschauer«, erwiderte Tannerton. »Dieser kleine Schnitt hier ist die Stichwunde. Und dieser hier.«
    »Der Pathologe hat am Mund gute Arbeit geleistet«, meinte Olmstead anerkennend.
    »Ja, nicht wahr?« bestätigte Tannerton und betastete die Lippen der Leiche. »Eigentlich ungewöhnlich, einen Leichenbeschauer mit soviel Sinn für Ästhetik zu finden.« »Höchst selten«, meinte Olmstead.
    Joshua schüttelte den Kopf. »Mir fällt es noch immer schwer, das alles zu glauben.«
    »Vor fünf Jahren habe ich seine Mutter begraben«, erklärte Tannerton. »Damals lernte ich ihn kennen. Er kam mir ein wenig ... eigenartig vor. Aber ich dachte, es wären die Belastung und das Leid. Er war ja ein wichtiger Mann, eine führende Persönlichkeit der Gemeinde.«
    »Kalt«, behauptete Joshua. »Er war ein ungewöhnlich kalter und von sich eingenommener Mensch. Brutal im Geschäft. Häufig reichte es ihm nicht, gegenüber einem Konkurrenten zu bestehen; nein, er zog es vor, den anderen völlig zu vernichten. Ich vertrat stets die Ansicht, daß er durchaus zu Grausamkeit und körperlicher Gewalttätigkeit neigte. Aber versuchte Notzucht? Versuchter Mord?«
    Tannerton sah Joshua an und sagte: »Mr. Rhinehart, ich habe schon oft gehört, daß Sie eine klare Sprache sprechen. Sie genießen den Ruf, genau das zu sagen, was Sie denken, was auch immer passiert, aber ...« »Aber was?«
    »Aber wenn Sie von einem Toten sprechen, meinen Sie da nicht, daß Sie ...«
    Joshua lächelte. »Junger Mann, ich bin ein widerwärtiger alter Schweinehund und nicht gerade bewundernswert. Weit entfernt! Solange die Wahrheit meine einzige Waffe ist, macht es mir nichts aus, die Gefühle der Lebenden zu verletzen. Ich kann Ihnen sagen, daß ich schon Kinder zum Weinen brachte, ebenso wie grauhaarige Großmütter. Ich habe wenig Sinn für Narren und Schweine, solange sie am Leben sind. Warum sollte ich also für die Toten mehr Respekt empfinden?« »Ich bin es einfach nicht gewöhnt, daß man ...« »Natürlich nicht. Ihr Beruf verlangt von Ihnen, über einen Verblichenen nur Gutes zu verkünden, egal, wer er war oder was für scheußliche Dinge er getan haben mag. Ich nehme Ihnen das nicht übel. Ist Ihr Beruf.«
    Tannerton wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Er klappte den Sargdeckel zu.
    »Sprechen wir über das Arrangement«, meinte Joshua. »Ich würde gern nach Hause fahren und zu Abend essen – falls ich noch Appetit verspüre, wenn ich von hier wegfahre.« Er setzte sich auf einen hohen Hocker neben einem Glasschrank, der mit weiteren Werkzeugen für das Handwerk der Leichenbestattung angefüllt schien.
    Tannerton ging nervös auf und ab, ein sommersprossiges Energiebündel mit dichtem Haarschopf. »Wie wichtig ist für Sie die übliche Aufbahrung?« »Übliche Aufbahrung?«
    »Ein offener Sarg. Stört es Sie, wenn wir das nicht machen?« »Ehrlich gesagt habe ich darüber nicht nachgedacht«, erklärte Joshua.
    »Ich weiß offengestanden nicht, wie ... präsentabel man den Verblichenen tatsächlich herrichten kann«, meinte Tannerton. »Die Leute von Angel's Hill haben ihn nicht gut genug hergerichtet, als sie ihn balsamierten. Sein Gesicht scheint mir irgendwie geschrumpft. Ich bin damit gar nicht zufrieden.
    Ganz und gar nicht. Ich könnte natürlich versuchen, ihn aufzupumpen, aber solches Flickwerk sieht selten gut aus. Was kosmetische Maßnahmen angeht ... nun ... da frage ich mich auch, ob nicht schon zu viel Zeit

Weitere Kostenlose Bücher