Fluesterndes Gold
so, weil das alles nicht sein kann, weil das alles nicht wahr sein darf.
Nick steht hinter mir. Er legt mir eine Hand um die Taille.
Ich schnappe nach Luft. Die Welt um mich herum scheint sich zu drehen.
»Fällst du jetzt in Ohnmacht?«, fragt er.
Ich mach einen Schritt zurück gegen ihn und stoße aus: »Aber du bist so süß, Werwölfe sind nicht süß. Vampire vielleicht. Wenigstens im Film. Aber die Werwölfe sind immer ziemlich hässlich. Sie tragen Lederjacken und haben riesig lange Koteletten, die total dreckig sind.«
»Mehr hast du nicht dazu zu sagen? Nur, dass ich süß bin?« Er nimmt eine Strähne meiner Haare und wickelt sie um seinen Finger. »Die meisten Leute werden ohnmächtig oder schreien oder reden nie wieder mit mir.«
»Hast du es vielen Leuten erzählt?«
»Nicht vielen.«
»Deinen Eltern?«
»Ja, sie wissen Bescheid.« Seine Gesichtszüge verhärten sich. »Es ist genetisch bedingt.«
»Dein Vater?«
»Beide.«
Ich nicke, denke eine Sekunde nach und lege dann meine Hände an beide Seiten seines Körpers. Eine Hand berührt die raue wollene Decke, die anderen seine glatte Haut. »Tut deine Schulter sehr weh?«
Er schüttelt den Kopf. Seine Hand verlässt mein Kinn und bewegt sich zu meinem Hinterkopf und verharrt dort. »Danke, dass du den Pfeil rausgezogen hast.«
»Schon gut«, sage ich und versuche, mich zu beruhigen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich erschrockener darüber bin, dass er ein Werwolf ist oder darüber, dass seine Lippen mir so nahe sind. »Ich rette jeden Tag Menschen, die glauben, dass sie Werwölfe sind, hast du das nicht gewusst?«
»Nein«, sagt er und kommt näher. »Das hab ich nicht gewusst.«
Seine Augen sind so wunderbar dunkel und sie sehen wirklich aus wie die des Hundes, ich meine, Wolfes. Sie sind lieb und stark und noch ein bisschen was anderes, und ich mag sie. Ich mag sie sehr. Nein, ich mag sie viel zu sehr. Etwas in mir wird ein bisschen wärmer und rückt näher zu ihm hin.
Das Feuer knackt, und kribbelig und nervös wie ich bin, fahre ich wieder auf, aber ich zucke nicht von ihm weg, sondern zu ihm hin. Nick, im Licht des Feuers, nur mit einer Decke bekleidet, kann man schwer widerstehen, egal wie verrückt er ist. Seine Haut ist ganz heiß und scheint zu glänzen. Seine Muskeln sind klar konturiert, nicht unförmig dick, wie sie durch die Einnahme von Steroiden werden. Er ist einfach perfekt. Und wunderschön. Auf eine knabenhafte Art. Nicht wie ein Monster. Und nicht wie ein Wolf.
»Küsst du mich?« Meine Worte zittern in der Luft.
Er lächelt, aber antwortet nicht.
»Ich hab noch nie einen Werwolf geküsst. Sind Werwolfküsse wie Elfenküsse? Verändern sie was in mir? Hast du deshalb noch nie jemanden geküsst?«
Er lächelt ein bisschen. »Nein. Ich hab einfach deshalb nie jemanden geküsst, weil ich immer dachte, ich könnte nicht ehrlich zugeben, wer ich bin, verstehst du? Und ich wollte nicht, dass sich jemand in mich verliebt, schließlich bin ich …«
»Weil du ein Werwolf bist?«
»Weil ich ein Werwolf bin«, wiederholt er leise. Wenn ich zusehe, wie sich seine Lippen bewegen, fange ich an zu zittern. Aber nicht, weil ich mich fürchte, sondern weil er einfach so verdammt gut aussieht.
Ich lege meine Hand auf seine Haut. Sie ist warm. Sie ist immer warm. Er riecht so gut nach Wald und nach Sicherheit. Ich schlucke meine Angst hinunter und mache einen Schritt auf ihn zu. Meine Lippen berühren die seinen, aber nur ganz leicht. Seine Lippen bewegen sich unter meinen. Seine Hände wandern zu meinen Schultern, und mein Mund fühlt sich an, als würde er gleich vor Glück explodieren. Mein ganzer Körper zittert.
»Wow«, sage ich.
»Ja«, sagt er. »Wow.«
Unsere Lippen berühren sich wieder. Als würde mein Mund dorthin gehören … genau dorthin. Ein kleiner Teil von mir hat endlich einen Platz gefunden, wo er hingehört. Wir lösen uns voneinander, um Luft zu holen.
»Gibt es viele von deiner Sorte?«, frage ich. »Ich glaube nämlich, es gibt einen Markt für solche Werwolfküsse.«
Er lacht. »Ein paar.«
Ich ziehe mich ein Stück zurück, nur ein kleines bisschen, ziehe mein T-Shirt glatt und versuche, etwas Sinnvolles zu sagen. »Gibt’s noch welche in Bedford?«
»Ja. Es gibt sogar viele in Bedford, mehr als an anderen Orten. Manche sind auch weggezogen.«
»Warum gibt er hier mehr?«
»Das liegt an den Genen. Inzucht im neunzehnten Jahrhundert oder so. Ich weiß es nicht.« Er berührt seine
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