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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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sind Trillionen Kilometer Fugen. Aneinander gereiht, würden die Fugen allein dieses Badezimmers zehnmal zum Mond und wieder zurück reichen, und jeder einzelne Millimeter ist mit schwarzem Schimmel verdreckt. Ich schrubbe mit einer Zahnbürste, die ich immer wieder in Ammoniak tauche, wobei der Gestank, vermischt mit dem Rauch ihrer Zigaretten, mich müde und so nervös macht, dass ich Herzklopfen habe.
    Vielleicht bin ich auch ein wenig weggetreten. Das Ammoniak. Der Rauch. Fertility Hollis ruft mich immer wieder zu Hause an. Ich wage nicht ans Telefon zu gehen, aber ich weiß genau, dass sie es ist.
    »Sind in letzter Zeit irgendwelche Fremde an Sie herangetreten?«, fragt die Sozialarbeiterin mich.
    Sie fragt: »Haben Sie Anrufe bekommen, die Sie als bedrohlich bezeichnen würden?«
    Wie die Sozialarbeiterin, immer eine Zigarette zwischen den Lippen, mich solche Sachen fragt, das erinnert mich an einen Hund, der einen Pink Martini schlürft und einen dabei anknurrt. Eine Zigarette, ein Schluck, eine Frage: Sie atmet, sie trinkt, sie fragt, sie führt die wesentlichen Dinge vor, die man mit dem Mund so machen kann.
    Früher hat sie nicht geraucht, aber, so erzählt sie mir, die Vorstellung, ein hohes Alter zu erreichen, wird ihr immer mehr zuwider.
    »Wenn ich wenigstens mit irgendeinem kleinen Teil meines Lebens zufrieden sein könnte«, sagt sie zu einer neuen Zigarette in ihrer Hand, bevor sie sich Feuer gibt. Dann fängt irgendetwas Unsichtbares an zu piepen und piept immer weiter, bis sie auf die Armbanduhr drückt und das Piepen aufhört. Sie dreht sich nach ihrer Tasche um, die auf dem Boden neben der Toilette liegt, und nimmt ein Plastikfläschchen heraus.
    »Imipramin«, sagt sie. »Darf ich Ihnen leider nicht anbieten.«
    Am Anfang versuchte das Hilfsprogramm, die Überlebenden mit Medikamenten ruhig zu stellen, Alprazolam, Fluoxetin, Valium, Imipramin. Der Plan scheiterte, weil zu viele Klienten ihre Wochenrationen horteten, drei, sechs, acht Wochen lang, je nach Körpergewicht, um dann alles auf einmal mit einem Schluck Scotch runterzuspülen.
    Bei den Klienten waren die Medikamente ein Fehlschlag gewesen, aber für die Sozialarbeiter waren sie großartig.
    »Ist Ihnen irgendjemand gefolgt«, fragt die Sozialarbeiterin, »jemand mit einer Pistole oder einem Messer? Abends, wenn Sie von der Bushaltestelle nach Hause gehen?«
    Ich schrubbe die Fugen zwischen den Kacheln von schwarz über braun nach weiß und frage, warum sie mich das alles fragt.
    »Nur so«, sagt sie.
    Nein, sage ich, ich werde nicht bedroht.
    »Ich habe diese Woche versucht, Sie anzurufen, aber es hat nie jemand abgenommen«, sagt sie. »Stimmt was nicht?«
    Ich sage, nein, alles in Ordnung.
    Die wahre Wahrheit ist, ich gehe nicht ans Telefon, weil ich mit Fertility Hollis erst reden möchte, wenn ich sie von Angesicht zu Angesicht wieder sehe. Am Telefon hat sie sich sexuell so erregt angehört, dass ich ein weiteres Telefonat nicht riskieren will. Ich konkurriere dabei mit mir selbst. Ich will nicht, dass sie sich in mich als Stimme am Telefon verliebt, während sie mich gleichzeitig als realen Menschen abzuschütteln versucht. Am besten telefonieren wir nie mehr miteinander. Meine konkrete, lebendige, unheimliche, verrückte, hässliche Wenigkeit ist ihrer Phantasie nicht gewachsen, und daher habe ich den Plan, einen schrecklichen Plan, sie dahin zu bringen, dass sie mich hasst und sich gleichzeitig in mich verliebt. Ich will sie negativ verführen. Negativ anziehen.
    »Wenn Sie nicht in Ihrer Wohnung sind«, fragt die Sozialarbeiterin, »hat dann sonst noch jemand Zugang zu den Dingen, die Sie essen?«
    Morgen ist mein nächster Nachmittag mit Fertility Hollis in der Leichenhalle, falls sie denn kommt. Dann wird der erste Teil meines Plans in Gang gesetzt.
    »Haben Sie irgendwelche Drohbriefe oder anonyme Post bekommen?«, fragt die Sozialarbeiterin.
    Sie fragt: »Hören Sie mir überhaupt zu?«
    Ich frage, was diese ganzen Fragen überhaupt sollen. Ich sage, wenn sie mir nicht sagt, was los ist, trinke ich diese Flasche Ammoniak aus.
    Die Sozialarbeiterin sieht auf die Uhr. Sie klopft mit dem Kuli auf den Notizblock und lässt mich warten, bis sie erst einmal an ihrer Zigarette gesaugt und den Rauch ausgeblasen hat.
    Wenn sie wirklich was für mich tun will, sage ich und halte ihr eine Zahnbürste hin, dann soll sie mir beim Schrubben helfen.
    Sie stellt ihren Drink ab und nimmt die Zahnbürste. Fährt über eine der Fugen an der

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