Flug 2039
Stockrosen. Für dieses Jahr schwebt mir ein Landhausgarten vor. Voriges Jahr habe ich einen künstlichen französischen Garten angelegt. Davor war es ein japanischer Garten, ausschließlich aus Plastikblumen. Ich brauche nur alle Blumen herauszureißen. Ich sortiere sie und stecke sie wieder zu einem neuen Muster zusammen. Die Pflege ist ein Kinderspiel. Ausgebleichte Blüten werden mit roter oder gelber Sprühfarbe wieder aufgepäppelt.
Mit ein wenig Klarlack oder Haarspray kann man verhindern, dass Seidenblüten am Rand ausfransen.
Der Staub auf der falschen Schafgarbe und der künstlichen Brunnenkresse muss mit dem Schlauch abgespritzt werden. Die Plastikblüten, die ich mit Draht an den vergifteten toten Skeletten der ursprünglichen Rosensträucher befestigt habe, brauchen einen frischen Spritzer Parfüm.
Wenn es an die Rosen geht, schütte ich zuerst das Gift aus dem Sprühkanister und fülle ihn dann mit zwölf Litern Wasser, das mit einer halben Flasche Eternity von Calvin Klein versetzt ist. Die Maßliebchen besprühe ich mit in Wasser gelöster Vanille aus der Küche. Die künstlichen Astern bekommen Eau de Cologne. Für die meisten anderen Blumen nehme ich Raumspray mit Blütenduft. Den künstlichen Zitronenthymian sprühe ich mit Möbelpolitur mit Zitrusaroma ein.
Bei meiner Werbung um Fertility Hollis verfolge ich die Strategie, mich absichtlich hässlich zu machen, und dass ich mich schmutzig mache, ist da erst der Anfang. Ein bisschen ungepflegt erscheinen. Es ist zwar gar nicht so einfach, bei der Gartenarbeit richtig schmutzig zu werden, wenn man nie mit der Erde in Berührung kommt, aber immerhin riecht meine Kleidung nach Gift, und ich habe einen leichten Sonnenbrand auf der Nase. Mit dem Drahtstiel einer Plastik-Kalla zerstoße ich eine Hand voll harter Erde, die ich dann in meinen Haaren verteile. Ich reibe mir auch Schmutz unter die Fingernägel.
Gott behüte, dass ich mir Mühe gebe, für Fertility gut auszusehen. Mein Aussehen zu verbessern – das wäre die schlechteste Strategie, die ich einschlagen könnte. Es wäre ein großer Fehler, mich herauszuputzen – mir die Haare zu kämmen, mir womöglich gar ein paar schicke Kleider von meinem Arbeitgeber auszuborgen, etwa ein pastellfarbenes Baumwollhemd oder so, mir die Zähne zu putzen, Deodorant aufzutragen oder wie die das nennen –, um in diesem Aufzug zu meiner zweiten Verabredung ins Columbia Memorial Mausoleum zu gehen: Ich wäre dann nämlich immer noch hässlich, nur dass man mir ansehen würde, dass ich mich sehr bemüht habe, einen guten Eindruck zu machen.
Das wär’s also bei mir. Besser geht’s nicht. Friss oder stirb.
Als ob es mir nicht egal wäre, was sie denkt.
Ein gutes Aussehen gehört nicht zum großen Plan. Mein Plan besteht darin, den Eindruck von brachliegendem Potenzial zu erwecken. Ich will natürlich erscheinen. Sozusagen als Rohstoff. Nicht verzweifelt und bedürftig, sondern voller Möglichkeiten. Nicht hungrig. Klar, ich will so aussehen, als wäre ich der Mühe wert. Gewaschen, aber nicht gebügelt. Sauber, aber nicht poliert. Selbstbewusst, aber bescheiden.
Ich möchte einen ehrlichen Eindruck erwecken. Die Wahrheit glänzt und glitzert nicht.
Ich will durch passive Aggressivität wirken.
Die Hässlichkeit soll mir zum Vorteil gereichen. Die ungünstige Ausgangslage soll mit meinem späteren Ich kontrastieren. Vorher und nachher. Frosch und Prinz.
Es ist Mittwochnachmittag, zwei Uhr.
Dem Terminkalender folgend drehe ich jetzt den Orientteppich im rosa Salon herum, damit die Abnutzung sich gleichmäßig verteilt. Dazu muss man sämtliche Möbel in ein anderes Zimmer bringen, auch das Klavier. Den Teppich zusammenrollen. Die Teppichunterlage zusammenrollen. Staubsaugen. Den Boden nass aufwischen. Der Teppich ist vier mal fünf Meter groß. Dann die Unterlage umdrehen und ausrollen. Den Teppich umdrehen und ausrollen. Die Möbel wieder reinschleppen.
Laut meinem Terminkalender dürfte ich dafür nicht länger als eine halbe Stunde brauchen.
Stattdessen klopfe ich die Trittspuren im Teppich nur aus und kämme die Fransen, die meine Arbeitgeber hoffnungslos verwirrt haben. Dafür verwirre ich die Fransen auf der gegenüberliegenden Seite, sodass es aussieht, als hätte ich den Teppich gedreht. Dann verrücke ich die Möbel, aber nur ganz wenig, und lege Eiswürfel in die Dellen des Teppichs. Wenn das Eis schmilzt, wird der Flor an den eindrückten Stellen sich wieder aufrichten.
Ich wetze mir den
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