Flug 2039
Bruders, dem mutmaßlichen Geliebten, dem Witwer: Ob sie sich nächste Woche wie versprochen mit ihm treffen werde?
»Keine Ahnung«, sagt sie. »Vielleicht. Aber gut, ich treffe mich nächste Woche mit diesem Spinner, wenn Sie mir jetzt einen Gefallen tun.«
Bedenken Sie eines, sage ich. Sie haben die Chance, einem einsamen Menschen zu helfen. Die perfekte Chance, einem Mann, der sich verzweifelt nach Ihrer Liebe sehnt, Liebe zu schenken und eine helfende Hand zu reichen.
»Ich scheiße auf Liebe«, sagt sie, und senkt die Stimme so tief, dass sie wie meine klingt. »Sagen Sie was, das mich anmacht.«
Ich verstehe nicht, was sie damit meint.
»Sie wissen genau, was ich damit meine«, sagt sie.
Genesis, Kapitel drei, Vers zwölf:
»Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß.«
Hören Sie, sage ich. Ich bin hier nicht allein. Hier sind überall freiwillige Helfer um mich herum.
»Tu es«, sagt sie. »Leck mir die Titten.«
Ich sage, sie wolle offenbar mein angeborenes hilfsbereites Wesen ausnutzen. Ich sage, dass ich jetzt auflegen muss.
»Küss mich«, sagt sie. »Überall.«
Ich sage, ich lege jetzt auf.
»Fester«, sagt sie. »Mach schon. Fester, ah, mach es mir«, sagt sie und lacht: »Leck mich. Leck mich. Leck mich. Leck mich.«
Ich sage, ich lege jetzt auf. Tue es aber nicht.
»Du willst mich doch auch«, sagt Fertility. »Sag mir, was ich mit dir machen soll. Du willst es doch. Lass mich was ganz Schlimmes machen.«
Und bevor ich mich verkrümeln kann, stößt Fertility Hollis einen wilden Orgasmusschrei aus, der einer Pornokönigin würdig gewesen wäre.
Ich lege auf.
Erster Brief an Thimoteus, Kapitel fünf, Vers fünfzehn:
»Denn es sind schon etliche umgewandt dem Satan nach.«
Ich fühle mich elend und missbraucht, schmutzig und gedemütigt. Schmutzig und benutzt und weggeworfen.
Wieder klingelt das Telefon. Es ist sie. Es kann nur sie sein, also nehme ich nicht ab.
Das Telefon klingelt die ganze Nacht, und ich sitze hier, fühle mich betrogen und wage nicht, den Hörer abzunehmen.
Kapitel 39
Vor ungefähr zehn Jahren hatte ich die erste Einzelsitzung mit meiner Sozialarbeiterin; die gibt es wirklich, sie hat einen Namen und ein Büro, aber ich will sie nicht in Schwierigkeiten bringen. Sie hat schon Probleme genug. Sie hat Sozialarbeit studiert. Sie ist fünfunddreißig Jahre alt und kann sich einen festen Freund nicht leisten. Vor zehn Jahren war sie fünfundzwanzig und gerade mit dem Studium fertig und konnte sich vor all den Klienten, die ihr im Rahmen des brandneuen staatlichen Hilfsprogramms für Überlebende zugewiesen wurden, kaum retten.
Damals erschien eines Tages vor der Tür des Hauses, in dem ich arbeitete, ein Polizist. Vor zehn Jahren war ich dreiundzwanzig, und das war noch meine erste Stelle, weil ich mir wirklich große Mühe gab. Ich hatte ja noch keine Ahnung. Die Gärten ums Haus herum waren immer feucht und dunkelgrün und so ordentlich gemäht, dass sie weichen grünen Nerzmänteln glichen. Nichts im Haus machte jemals einen abgenutzten Eindruck. Wenn man dreiundzwanzig ist, bildet man sich ein, ein solches Leistungsniveau könne man ewig aufrechterhalten.
Etwas hinter dem Polizisten vor der Haustür standen in der Einfahrt zwei weitere Polizisten und neben einem der Streifenwagen die Sozialarbeiterin.
Ihr könnt nicht nachvollziehen, wie wohl ich mich bis zu dem Augenblick, da ich die Tür aufmachte, bei meiner Arbeit gefühlt hatte. Meine ganze Jugend hindurch hatte ich darauf hingearbeitet, auf die Taufe, auf die Zuweisung des Jobs als Putzmann in der bösen Außenwelt.
Als die Leute, für die ich arbeiten sollte, der Kirche schließlich eine Spende für den ersten Monat meiner Arbeit geschickt hatten, strahlte ich vor Glück. Ich glaubte wirklich, dazu beizutragen, den Himmel auf Erden zu schaffen.
Es störte mich nicht, dass ich überall angestarrt wurde; ich trug immer die von der Kirche vorgeschriebene Kleidung, den Hut, die weiten Hosen ohne Taschen. Das langärmlige weiße Hemd. Egal, wie heiß es war, in der Öffentlichkeit trug ich stets den braunen Mantel und kümmerte mich nicht um die dummen Sprüche, die ich ständig zu hören bekam.
»Wie kommt es, dass Sie Hemden mit Knöpfen tragen dürfen?«, wollte einmal jemand im Haushaltswarenladen wissen.
Weil ich kein Amish bin.
»Müssen Sie spezielle geheime Unterwäsche tragen?«
Ich nehme an, das war auf die Mormonen gemünzt.
»Verstößt es nicht gegen Ihre
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