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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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sie im Washingtoner Zoo dazu bringen wollen, sich zu vermehren, wird sich von einer ihm zugeführten Partnerin eine Geschlechtskrankheit holen.«
    Das werde ich auf gar keinen Fall im Fernsehen sagen.
    »Wie wär’s mit einer Tuberkuloseepidemie?«
    Gähn.
    »Heckenschütze an einer Autobahn?«
    Gähn.
    »Killerhai schlägt zu?«
    Sie ist ganz offensichtlich mit ihrem Latein am Ende.
    »Rennpferd bricht sich ein Bein?«
    »Im Louvre wird ein Gemälde aufgeschlitzt?«
    »Ein Premierminister hebt sich einen Bruch?«
    »Einschlag eines Meteoriten?«
    »Salmonellen in Tiefkühlputen?«
    »Ein Waldbrand?«
    Nein, sage ich.
    Zu traurig.
    Zu intellektuell.
    Zu politisch.
    Zu esoterisch.
    Zu derb.
    Uninteressant.
    »Ein Lavastrom?«, sagt Fertility.
    Zu langsam. Zu wenig dramatisch. Und praktisch nur Sachschäden.
    Das Problem ist, dass die Leute nach all diesen Katastrophenfilmen von der Natur zu viel erwarten.
    Die Kellnerin bringt das Huhn und mein Zitronenröllchen und schenkt uns Kaffee nach. Dann zieht sie lächelnd ab, um zu sterben.
    Fertility blättert in ihrem Kalender herum.
    Der Kirschkuchen rumort mir in den Eingeweiden. Draußen ist Spokane. Drinnen ist die Klimaanlage. Nichts hier sieht auch nur entfernt nach einem Muster aus.
    »Wie wär’s mit Killerbienen?«, sagt Fertility Hollis.
    Ich frage: Wo?
    »Kommen nach Dallas, Texas.«
    Wann?
    »Nächsten Sonntag, morgens um zehn nach acht.«
    Ein paar? Ein Schwarm? Wie viele?
    »Wahnsinnig viele.«
    Ich sage: Das ist es.
    Fertility seufzt auf und macht sich dann über ihr Huhn her. »Scheiße«, sagt sie. »Ich hab von Anfang an gewusst, dass du das nehmen würdest.«

Kapitel 22
    Am Sonntagmorgen um zehn nach acht kommt ein Riesenschwarm Killerbienen nach Dallas, genau nach Plan. Dabei hatte mein Spot im Fernsehen nur eine lausige Sehbeteiligung von fünfzehn Prozent.
    Nächste Woche gewährt mir der Sender eine volle Minute, und ein paar Schwergewichte, Pharmagesellschaften, Autohersteller, Ol- und Tabakkonzerne, bewerben sich als garantierte eventuelle Sponsoren für den Fall, dass ich mit einem noch größeren Wunder aufwarten kann. Aus lauter falschen Gründen zeigen auch die Versicherungsgesellschaften großes Interesse.
    Zwischen jetzt und nächste Woche klappere ich Florida ab, jeden Abend in einer anderen Stadt. Jacksonville, Tampa, Orlando, Miami. Tender Bransons Wunder-Tournee. Jeden Abend ein Wunder.
    Meine Wunder-Minute, wie der Agent und der Sender das nennen wollen, erfordert praktisch keinen Produktionsaufwand. Jemand richtet eine Kamera auf dich, du hast dich gekämmt und dir einen Schlips umgebunden, machst ein feierliches Gesicht und sprichst genau ins Objektiv.
    Morgen kippt der Leuchtturm von Ipswich Point um.
    Nächste Woche wird der Mannington-Gletscher in Alaska kalben und ein Touristenboot, das sich zu nah herangewagt hat, zum Kentern bringen.
    In der Woche darauf werden in Chicago, Tacoma und Green Bay Mäuse auftauchen, die tödliche Viren in sich tragen.
    Man macht genau dasselbe wie ein Nachrichtensprecher, nur eben im Voraus.
    Für mich sieht der Plan so aus, dass ich Fertility dazu bringe, mir ein paar Dutzend Prophezeiungen auf einmal zu geben; dann kann ich meine Wunder-Minuten für eine ganze Saison auf einmal produzieren. Und habe ich erst einmal ein ganzes Jahr im Kasten, bleibt mir Zeit für persönliche Auftritte, für Werbefeldzüge und Signierstunden. Vielleicht auch für irgendeine Beratertätigkeit. Oder Nebenrollen in Film und Fernsehen.
    Fragt mich nicht, wann, ich weiß es nämlich nicht mehr, aber irgendwann in dieser Zeit habe ich vergessen, dass ich mich umbringen wollte.
    Wenn die Presseagentin auf die Idee käme, Selbstmord auf meinen Terminplan zu setzen, wäre ich tot. Neunzehn Uhr, Donnerstag, Rohrreiniger trinken. Kein Problem. Aber bei all den Killerbienen und meinen ständigen Terminen quält mich immerzu die Frage, was wohl geschieht, wenn ich Fertility nicht wiederfinde. Außerdem habe ich unablässig mein Gefolge am Hals. Das Team hetzt mich immer weiter, die Presseagentin, die Planer, der persönliche Fitnesstrainer, der Kieferorthopäde, der Dermatologe, der Diätberater.
    Die Killerbienen haben ihrem Namen nicht viel Ehre gemacht. Es gab keine Toten, aber immerhin eine Menge Aufmerksamkeit. Jetzt brauchte ich eine Zugabe.
    Den Einsturz eines Stadions.
    Den Einbruch eines Bergwerks.
    Eine Zugentgleisung.
    Allein bin ich nur, wenn ich auf dem Klo sitze, aber selbst da bin ich eingekreist.
    Fertility

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