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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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hat ein anderer gekratzt: Hat hier irgendwer Sandy Moore nicht gefickt?
    Und daneben steht: Ich.
    Und daneben steht: Schwuchtel.
    »Wir alle sehen dieselben Sendungen im Fernsehen«, sagt der Mund. »Wir alle hören dieselben Sendungen im Radio, wir alle sagen einander dieselben Sachen. Es gibt keine Überraschungen mehr. Immer nur dasselbe. Nur noch Wiederholungen.«
    Die roten Lippen in dem Loch sagen: »Wir alle sind mit denselben Fernsehsendungen aufgewachsen. Uns allen ist dasselbe künstliche Gedächtnis eingepflanzt. An unsere wirkliche Kindheit haben wir so gut wie keine Erinnerung, dafür erinnern wir uns an Begebenheiten aus allen möglichen Fernsehserien. Wir alle haben dieselben Ziele. Wir alle haben dieselben Ängste.«
    Die Lippen sagen: »Die Zukunft ist nicht strahlend.«
    »Schon bald werden wir alle zur selben Zeit dieselben Gedanken haben. Wir werden alle gleich sein. Synchron. Vereinheitlicht. Identisch. Wie Ameisen. Insektenhaft. Wie Schafe.«
    Alles kommt aus zweiter Hand.
    Wir sind Wiederkäuer.
    »Die große Frage, die die Leute stellen, lautet nicht: ›Was ist das Wesen unserer Existenz?‹«, sagt der Mund. »Die große Frage, die die Leute stellen, lautet: › Wo kommt das her?‹ «
    Ich lauschte dem Loch, wie ich den Beichten der Leute am Telefon gelauscht habe, wie ich an den Grabnischen nach Lebenszeichen gelauscht habe. Ich fragte sie, warum sie mich denn braucht.
    »Weil du in einer anderen Welt aufgewachsen bist«, sagt der Mund.
    »Weil höchstens du mich noch überraschen kannst. Du gehörst nicht zur Massenkultur, noch nicht. Du bist meine einzige Hoffnung, dass ich noch einmal etwas Neues erlebe. Du bist der Märchenprinz, der diesen Bannfluch der Langeweile brechen kann. Diese Trance der tagtäglichen Eintönigkeit. Alles schon erlebt. Alles schon getan. Du bist eine Kontrollgruppe, die nur aus einem Menschen besteht.«
    Aber nein, sage ich. Ich bin gar nicht so anders.
    »Doch, das bist du«, sagt der Mund. »Und dass du anders bleibst, ist meine einzige Hoffnung.«
    Dann gib mir deine Prophezeiungen.
    »Nein.«
    Warum?
    »Weil ich dich dann nie wiedersehen würde. Die Welt der Menschen würde dich verschlingen, und ich würde dich verlieren. Von jetzt an gebe ich dir pro Woche nur noch eine Prophezeiung.«
    Und wie?
    »So«, sagt der Mund. »So wie jetzt. Und keine Sorge. Ich werde dich finden.«

Kapitel 21
    Meinem Reiseplan nach sitze ich in einem dunklen Fernsehstudio auf einem braunen Sofa, bei dessen Bezug es sich um eine 60:40-Mischung aus Polyester und Wolle handeln dürfte, Flecken abweisende Meterware, gegen Ausbleichen imprägniert durch das grelle Licht der Scheinwerfer, in deren Mittelpunkt das Sofa steht. Meine Frisur gestylt von. Meine Kleider entworfen von. Mein Schmuck zur Verfügung gestellt von.
    Meiner Autobiographie zufolge bin ich noch nie so glücklich gewesen, so erfüllt vom Glück, jeden Tag meines Lebens bis zur Neige auszuschöpfen. Wie der Presse zu entnehmen ist, zeichne ich eine neue Sendereihe auf, in der ich jeden Abend eine halbe Stunde lang Anrufe von Menschen beantworte, die Rat und Hilfe brauchen. Ich biete ihnen neue Perspektiven. Nach den Presseverlautbarungen werde ich in der Sendung immer wieder einmal eine neue Prophezeiung ergehen lassen. Irgendeine Katastrophe, ein Erdbeben, eine Flutwelle, eine Heuschreckenplage könnte bevorstehen, also seht euch lieber diese Sendung an.
    Die Abendnachrichten vor den Ereignissen, könnte man sagen. Die Sendung heißt Seelenfrieden, steht in der Presseerklärung.
    Falls man das so nennen kann.
    Fertility hat gesagt, dass ich eines Tages berühmt sein werde. Dass ich der ganzen Welt von ihr erzählen würde, also sollte ich meine Karten lieber auf den Tisch legen.
    Fertility hat gesagt, wenn ich dann berühmt sei, solle ich ihre Augen als katzenartig beschreiben. Ihr Haar, hat sie gesagt, sei windzerzaust. Wortwörtlich so hat sie das gesagt. Ja, und ihre Lippen seien von Bienen zerstochen.
    Sie hat gesagt, ihre Arme seien glatt wie eine enthäutete Hähnchenbrust.
    Ihr Gang sei beschwingt und heiter.
    »Wenn du berühmt bist«, sagte sie, »lass mich nicht als Ungeheuer oder Opfer oder so was dastehen.« Fertility sagte: »Du wirst alles verraten, deine ganze Religion und alles, woran du glaubst; nur über mich darfst du keine Lügen verbreiten. Okay? Bitte.«
    Zum Berühmtsein gehört es nun also auch, dass ich in der wöchentlichen Sendung einer berühmten Fernsehmoderatorin auftrete. Sie sagt

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