Flug 2039
antworte ich. Ohne Quatsch.
Kapitel 18
Immer wieder werde ich gefragt, ob ich einen Toaster bedienen kann.
Ob ich weiß, was ein Rasenmäher macht.
Ob ich weiß, wozu eine Haarspülung gut ist.
Die Leute wollen nicht, dass ich mich zu profan betätige. Sie erwarten von mir eine Unschuld, wie sie vor der Sache mit dem Apfel im Paradies geherrscht haben muss. Eine Naivität, wie sie das Jesuskind gehabt haben mag. Die Leute fragen, ob ich weiß, wie ein Fernseher funktioniert.
Nein, weiß ich nicht. Aber wer weiß das schon.
Die Wahrheit ist, dass ich schon von Anfang an keine große Leuchte gewesen bin und jetzt täglich sogar noch blöder werde. Ich bin nicht richtig dumm, aber das kommt schon noch. Man kann nicht sein ganzes Leben als Erwachsener in der Außenwelt verbringen, ohne zu kapieren, wie der Hase läuft. Ich weiß, wie man mit einem Dosenöffner umgeht.
Das Schwierigste am Dasein eines bekannten berühmten prominenten religiösen Führers ist, dass man den Erwartungen der Leute entsprechen muss.
Die Leute fragen, ob ich weiß, wozu ein Föhn gut ist.
Dem Agenten zufolge besteht das Geheimnis, wie man oben bleibt, darin, dass man keine Bedrohung darstellt. Dass man ein Nichts ist. Ein leeres Blatt, das die Leute ausfüllen können. Ein Spiegel. Ich bin die religiöse Version eines Lottogewinners. In Amerika wimmelt es von Reichen und Berühmten, ich aber soll eine ganz seltene Mischung sein: berühmt und dumm, bekannt und demütig, naiv und reich. Du lebst einfach dein bescheidenes Leben, denken die Leute, dein alltägliches Jungfrau-von-Orleans-Leben, dein Jungfrau-Maria-Leben, du spülst dein Geschirr, und eines Tages wird deine Nummer aufgerufen.
Die Leute fragen, ob ich weiß, was ein Chiropraktiker ist.
Die Leute denken, Heiligkeit sei etwas, was einem einfach so zufliegt. Für so simpel halten die das. Als liefe das wie bei Lana Turner, die man damals einfach so im Laden um die Ecke entdeckt hat. Im 11. Jahrhundert war es vielleicht noch möglich gewesen, so passiv zu sein. Heutzutage lässt man sich mit Laserstrahlen die feinen Falten um den Mund entfernen, bevor man seine Weihnachtsshow fürs Fernsehen aufzeichnet. Heute haben wir Chemikalien. Peeling und Dermabrasion. Die Jungfrau von Orleans hatte es da leichter.
Heutzutage fragen die Leute, ob ich mich mit Bankauszügen auskenne.
Dauernd werde ich gefragt, warum ich nicht verheiratet bin. Ob ich unreine Gedanken habe. Ob ich an Gott glaube. Ob ich Hand an mich lege.
Ob ich weiß, was ein Reißwolf macht.
Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Ich habe meine Zweifel. Ich sage nichts. Und ich habe den Agenten, der mir alles über Reißwölfe erzählen muss.
In diesem Stadium der Geschichte bekomme ich Das diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen zugeschickt. Irgendein Angestellter der Postabteilung leitet es an einen stellvertretenden Medienkoordinator weiter, der es einem rangniedrigen Presseagenten gibt, der es dem Tagesprogrammplaner bringt, der es mir in meiner Hotelsuite aufs Frühstückstablett legt. Neben meinen morgendlichen 430 Gramm an komplexen Kohlenhydraten und 600 Gramm an Eiweißpulverproteinen liegt da plötzlich das verschwundene DSM der toten Sozialarbeiterin.
Die Post wird immer in zehn Säcken auf einmal gebracht. Ich habe meine eigene Postleitzahl.
Helfen Sie mir. Heilen Sie mich. Retten Sie mich. Raten sie mir, heißt es in den Briefen.
Messias. Erlöser. Führer. So nennen sie mich.
Ketzer. Gotteslästerer. Antichrist. Teufel. So nennen sie mich.
Ich sitze also mit meinem Frühstückstablett auf dem Schoß im Bett und lese in dem Handbuch. Auf dem Päckchen, in dem es gekommen ist, steht kein Absender, aber auf der Innenseite des Umschlags steht der Name der Sozialarbeiterin. Unheimlich, dass der Name von einem länger lebt als sein Träger, die Benennung länger als das Benannte, das Symbol länger als das Symbolisierte. Es ist dasselbe wie mit den an den Grabnischen im Columbia Memorial Mausoleum in Stein geschnittenen Namen: Auch von der Sozialarbeiterin ist nur noch der Name übrig.
Wir fühlen uns den Toten überlegen.
Wenn Michelangelo so verdammt schlau war zum Beispiel – warum ist er dann gestorben?
Beim Lesen des DSM komme ich mir vor wie eine fette dumme Attrappe, bin aber immerhin noch am Leben.
Die Sozialarbeiterin bleibt tot, und vor mir habe ich den Beweis liegen, dass alles, was sie in ihrem Leben gelernt und geglaubt hat, bereits hinfällig ist. Im Anhang dieser
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