Flug in den Weltraum
Fliehkraft in einer starken Verringerung des Körpergewichtes aus. Wer sich allzu lebhaft aus seinem Sessel erhob, sprang dabei ungewollt einen Meter in die Höhe und fiel nur sehr langsam auf seine Füße zurück; doch schnell gewöhnten sich die Fluggäste an das Neue. Rede und Gegenrede flogen hin und her. Man sprach den Erfrischungen zu, schilderte sich dabei gegenseitig, was man während der Beschleunigungsperiode empfunden hatte, und harrte gespannt der Dinge, die noch kommen sollten.
»Per bacco! Wo bleibt die Sonne?« rief der Korrespondent des »Corriere de la sera«, Signor Alfieri, der die Frage an Pascoli, den Vertreter des »Popolo Romano«, stellte.
Ja, wo war die Sonne geblieben? Als die Rakete vor nicht einer halben Stunde in Washington startete, stand das Tagesgestirn im Südosten ziemlich hoch am Himmel. Unverkennbar – das stellten an den Fenstern jetzt viele fest – war die Sonne in der kurzen Zeit zurückgewandert und tief gesunken. Schon strahlte sie nicht mehr weiß, sondern kupferrot, schon berührte ihre Scheibe weit hinten im Osten die Kimme, wo Himmel und See sich zu treffen schienen.
Watson, der sich im Kommandostand aufhielt, bekam jetzt auch als Funker zu tun. Von allen Seiten wurden ihm Blätter gebracht, auf denen die Pressevertreter die Eindrücke dieser Minuten schilderten. Berichte, in denen die Schlagzeile »Fünfmal schneller als die Sonne!« öfter als einmal wiederkehrte. Sie verlangten dringend, daß es schon von hier aus gefunkt würde, und wohl oder übel mußte Watson sich ihren Wünschen fügen. Er konnte es tun, da die Steuerung der Rakete zur Zeit kaum eine besondere Bedienung erforderte. Ihre Triebkraft war so eingestellt, daß sie den Geschwindigkeits-Verlust, den die Maschine sonst durch die Reibung erlitten hätte, gerade ausglich.
Diese unvermeidliche Reibung hatte O’Neils bei der Planung seines Fluges manche sorgenvolle Stunde bereitet. Er wußte, daß die aus dem Weltraum auf die Erde stürzenden Meteore infolge der Reibung aufglühen und als Sternschnuppen sichtbar werden, obwohl die Atmosphäre dort sehr stark verdünnt ist. Aber es war ihm auch bekannt, daß diese Himmelsvagabunden mit zwanzig und mehr Kilometern in der Sekunde in die Lufthülle der Erde einschlagen, und so hatte er sich für seinen Flug nach langem Überlegen und Rechnen zu einer Geschwindigkeit von zwei Sekundenkilometern entschlossen. Zwar machte sich auch bei dieser Geschwindigkeit die Luftreibung bemerkbar, doch sie hielt sich in erträglichen Grenzen. Die Metallwand der Rakete wurde durch sie gerade so stark erwärmt, daß in ihrem Innern eine angenehme Zimmertemperatur vorhanden war, während draußen Weltraumkälte herrschte.
Henry Watson war also fleißig beim Funken. Die Verbindung mit der Kurzwellenstation in Washington war überraschend schnell hergestellt, und unablässig ließ er die Morsetaste klappern, während die Presseleute ihm immer neue Manuskripte brachten. Sie hätten das vielleicht nicht getan, wenn sie gewußt hätten, daß ihre Berichte nicht nur von der amerikanischen Station, sondern auch von vielen anderen Stellen empfangen und als Sensationsmeldungen ersten Ranges sofort in den verschiedenen Landessprachen weitergegeben wurden. So konnten einige europäische Zeitungen der verschiedenen Ortszeit wegen schon früher als die amerikanischen Blätter Berichte über den Flug O’Neils veröffentlichen.
Wieder war eine Viertelstunde verstrichen. Tiefe Nacht war es inzwischen geworden, nur die Mondsichel stand zwischen hell strahlenden Sternen am Himmel.
»Auf der Erde unter uns ist es eben ein Uhr nachts«, sagte Schweitzer zu seinem Nachbarn, Dr. Oriola.
»Donnerstag ein Uhr früh«, erwiderte dieser nach kurzem Überlegen.
»Selbstverständlich, Donnerstag! Am Donnerstag früh um zehn Uhr sind wir ja in Washington gestartet«, meinte Professor Schweitzer. »Aber es wird nicht ewig Donnerstag bleiben.«
»Das natürlich nicht, Herr Kollege. Auf den Donnerstag pflegt der Freitag zu folgen.« Ein Lächeln ging über die Züge des Dr. Oriolas, während er es sagte.
»Nicht immer«, führte Mr. Schweitzer die Diskussion weiter. »In unserem besonderen Fall wird erst noch einmal der Mittwoch kommen. Jetzt zum Beispiel«, fuhr er nach einem Blick auf die Wanduhr fort, »jetzt dürfte die Ortszeit unter uns etwa vierundzwanzig Uhr sein. Jetzt stoßen wir aus dem Donnerstag wieder in den Mittwoch zurück, weil unsere Rakete die bewegliche Datumsgrenze in der
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