Flugrausch
sehr erfüllt vom Gähnen, Magengrummeln und Aftershave, von parfümierter Seife und Shampoo.
»Kurz gesagt«, fuhr Kellock fort, »unser böser Bube selektiert sich selbst aus.«
Er wartete.
Nichts.
»Was meine ich damit? Also, unser böser Bube neigt dazu, sich nicht von den Regeln des Alltags und den Konventionen einengen zu lassen. Zum Beispiel parkt er falsch. Es kümmert ihn nicht im Geringsten, zu schnell zu fahren, über eine rote Ampel zu rasen, einen nicht registrierten und verkehrsuntauglichen Wagen zu fahren und so weiter. Es gibt einen Serienmörder in den Staaten, der nur deswegen in die Fänge der Polizei geriet, weil er wegen abgefahrener Reifen angehalten wurde. Als sie den Kofferraum öffneten, lag darin das letzte Opfer.«
Wie alle anderen auch sah Challis ihn aufmerksam an und fragte sich, worauf Kellock hinauswollte.
Kellock, dem die Enttäuschung anzuhören war, sagte: »Einer der besten Orte, einen Kriminellen aufzuspüren, ist der Behindertenparkplatz vor Ihrem örtlichen Supermarkt.«
Er zitierte aus seinen Unterlagen. »In einer sechsmonatigen Studie in Huddersfield im Norden Englands stellte man fest, dass ein Drittel aller Falschparker eine Polizeiakte hatten, die Hälfte bereits wegen Verfehlungen im Straßenverkehr belangt worden waren und ein Fünftel im Zusammenhang mit ungeklärten Fällen für die Polizei von sofortigem Interesse waren.« Sein massiger Schädel drehte sich wieder in der Runde. »Das sind signifikante Werte, meine Damen und Herren. Des Weiteren war jedes zehnte Fahrzeug verkehrsuntauglich, und ein Fünftel stand direkt oder indirekt im Zusammenhang mit verschiedenen Verbrechen: Fluchtfahrzeug, Transport von gestohlenen Gegenständen und so weiter und so weiter.«
Das Publikum rutschte murmelnd hin und her. »Und was sollen wir jetzt machen, jeden Behindertenparkplatz abklappern?«, flüsterte Ellen zu Challis.
»Ich möchte«, sagte Kellock, »dass Sie im normalen Verlauf Ihres Dienstes eine sofortige Überprüfung der Kfz-Kennzeichen aller Fahrzeuge durchführen, die falsch parken. Ich möchte die Huddersfield-Studie hier auf der Halbinsel überprüfen. Und wenn ich nicht ganz falsch liege, werden sich die Huddersfield-Resultate wiederholen. Noch Fragen?«
John Tankard schaute missmutig. »Warum kann das nicht die kommunale Verkehrsüberwachung machen, Sergeant? Wir haben doch schon mehr als genug zu tun.«
»Weil die Verkehrsüberwachung niemanden verhaften kann und auch nicht über die Möglichkeiten verfügt, die Kennzeichen per Computer abzufragen. Nächste Frage?«
Es gab noch ein paar halbherzige Fragen, jemand rief noch in die Runde, niemand habe jemals behauptet, der kleine Durchschnittskriminelle sei eine Intelligenzbestie, dann wurde die Versammlung aufgehoben.
12
Als Challis und Destry die Treppe hinaufkamen, stießen sie auf Scobie Sutton, der am Wasserspender stand und mit traurigem, nachdenklichem Gesichtsausdruck ein Loch in die Luft starrte.
»Ein Penny für Ihre Gedanken«, sagte Ellen.
Sutton riss sich zusammen. »Es ist nur … Manchmal wird man daran erinnert, wie kostbar und verletzlich Kinder sind, wie labil das alles ist und wie schwer für manche Menschen.«
Sutton konnte manchmal zutiefst sentimental sein, aber das war wahrscheinlich gar nicht mal so schlecht, dachte Challis. Deswegen war Sutton noch kein schlechterer Polizist – eher im Gegenteil. Tatsächlich glaubte Challis, dass ihm seine eigene Sentimentalität langsam abhanden kam, und er fragte sich, ob er seinen Job wohl aufgeben musste, wenn es mal so weit war.
Challis sagte dazu gar nichts. Scobie Sutton konnte einem ein Ohr abschwatzen, wenn es um seine kleine Tochter ging. Um das zu verhindern, warf Challis ein: »Kann ich mit Ihnen beiden sprechen?«
»Klar, Chef«, erwiderte Sutton.
Ellen zog ihre Jacke aus. »Was gibts?«
»Zwei Sachen, haben mit ein und derselben Person zu tun.«
Er brachte sie in sein Büro und schloss die Tür. Die papierdünne Wand wackelte.
»Eine Frau namens Janet Casement hat ein kleines Flugunternehmen draußen auf dem Flugplatz. Charterflüge, Luftaufnahmen, Rundflüge …«
»Die, die Sie Kitty nennen?«
»Genau.«
»Jemand hat am Wochenende ihre Maschine gerammt«, sagte Ellen.
»Ja.«
Die beiden sahen Challis erwartungsvoll an.
»John Tankard hat gestern auf seiner Streife den Landrover gefunden. Ich möchte ganz gern den Besitzer befragen.« Er streckte ihnen die Handfläche entgegen, so als wolle er irgendwelche
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