Flugrausch
Rechnungen nicht mehr. Die Behörden wollen dieses, die Behörden wollen jenes. Die Farm geht vor die Hunde.«
»Ich dachte, er hätte den Kredit zurückgezahlt.«
»Das ist ein neuer Kredit.«
Die Banken hatten selbst so einiges auf dem Kerbholz, dachte Scobie. »Ich sehe im Augenblick nicht, was die Polizei da unternehmen kann«, sagte er. »Wenn Sie wollen, kann ich ja mal mit ihm reden, aber …«
»Oh nein«, entgegnete Aileen entsetzt. »Er hat sich schon mit einem Mann von der RSPCA gestritten. Er würde vollkommen ausrasten, wenn er denkt, ich hätte hinter seinem Rücken mit der Polizei über ihn geredet.«
»Haben Sie mit der Bank gesprochen? Dort könnte man die Rückzahlungen genau so zurechtschneidern, dass sie zu den Einkünften passen.«
»Na ja, stimmt schon, aber Sie wissen ja, was er von Banken hält.«
»Dann weiß ich nicht, was ich da tun kann.«
»Ich wollte es Ihnen nur sagen, mehr nicht. Damit Sie das im Auge behalten oder so«, sagte Aileen Munro, gerade als die Schulglocke zum Unterrichtsbeginn rief.
Sie hielt inne. »Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte. Er ist bewaffnet, müssen Sie wissen.«
11
Challis schlief schlecht und wachte am Dienstagmorgen zeitig auf. Um einen klaren Kopf zu bekommen, ging er eine Stunde lang spazieren, ruderte dabei mit den Armen und legte ein ziemliches Tempo vor, um sein träges Blut in Gang zu bringen. Das schien zu funktionieren, und gegen halb acht duschte er, zog sich an und trank einen Kaffee auf der Veranda, auf die die heilsame Sonne schien, die durch die sich verfärbenden Blätter lugte.
Gegen zehn vor acht fuhr er nach Waterloo, wo ihm zehn Monate zuvor ein Büro zugewiesen worden war, als er die Untersuchungen über das Verschwinden der kleinen Tully-Tochter leitete. Der Fall hatte sich hingezogen, und nach einer Weile musste er sich drängenderen, aber weniger interessanten Morden – meist häuslichen Konflikten – anderswo auf der Halbinsel widmen; doch dann war die Ankerleiche aufgetaucht, und Challis kehrte nach Waterloo zurück, wo das kleine Büro auf ihn wartete. Dann war auch dieser Fall ins Leere gelaufen, aber diesmal blieb er in Waterloo und entschied, die Stadt zur Basis seiner Untersuchungen zu machen. Eine kürzlich ausgerufene Initiative der Polizeiführung hatte jeder der großen Regionen außerhalb der Metropole einen dienstälteren Kollegen der Mordkommission zugewiesen. Das alte System, ein Team von Detectives aus Melbourne auch über größere Entfernungen hinweg in entlegene Gebiete zu entsenden, hatte sich als ineffektiv erwiesen und nur örtliche Ressentiments geweckt. Challis mochte Waterloo. Die Mitarbeiter waren unkompliziert, und er hatte es nicht so weit bis nach Hause. Challis parkte den Triumph, betrat das Gebäude durch den Hintereingang und ging hinauf in das Büro des CIB, ein Großraumbüro mit abgetrennten Einzelkabinen an den Wänden. Sein Büro lag in einer Ecke und ging auf den Parkplatz hinaus. Er sah gerade zum Fenster hinaus, als Ellen Destry ihren Wagen abstellte und ins Gebäude ging. Keine Spur von Scobie Sutton.
Auf seinem Schreibtisch lagen ein paar Notizen. Man hatte einen Landrover gefunden. Er wies Dellen und Kratzer an der Beifahrerseite auf. Die Besitzerin hatte ihn zu dem Zeitpunkt als gestohlen gemeldet, als Constable Tankard ihn auf Streife gefunden hatte.
Challis starrte das Telefon an. Er streckte die Hand aus, ließ sie aber wieder auf den Schreibtisch sinken. Er wollte nicht im Gefängnis anrufen, um festzustellen, wie es seiner Frau ging; es war auch nicht gut, dafür die Dienstzeit und das Diensttelefon zu nutzen. Doch ein Anruf von der Arbeit war für ihn nicht so persönlich und klang nicht so teilnahmsvoll wie ein Anruf von zu Hause.
Er rief an. Seine Frau war wieder in der Zelle und stand wegen Selbstmordgefahr unter strenger Beobachtung. Wollte der Inspector mit ihr sprechen? Das könnte vielleicht hilfreich sein. Nein, entgegnete Challis. Sagen Sie ihr, ich hätte angerufen.
Dann ging er in die Teeküche, kochte sich einen Kaffee und fragte sich, wer wohl an seiner Packung Lavazza gewesen war. Er hatte schon vor längerem gelernt, sich seinen eigenen Tee und Kaffee mitzubringen. Der Kaffee auf dem Polizeirevier kam zumeist aus einer Dose Maxwell House von der Größe eines Ölfasses, und von dünnem Tee, geschweige denn Pfefferminztee, hatte noch nie jemand was gehört.
Schließlich setzte er sich mit einer Tasse Kaffee an den Schreibtisch und schlug
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