Flugrausch
Destry.«
»Mrs. Destry?«, sagte eine Jungenstimme.
»Ja.«
»Ich bins, Skip.«
»Hallo, Skip.«
»Ich wollte mich nur bedanken, dass Sie meine Jacke zurückgebracht haben. Tut mir Leid, dass ich nicht zu Hause war.«
»Schon in Ordnung, Skip.«
Er hielt inne und sagte dann langsam. »Es tut mir Leid, dass ich mich übergeben hab und so weiter.«
»So was kommt vor«, sagte Ellen, die ihn am liebsten nach Ecstasy-Tabletten und Amphetaminen ausgefragt hätte und was er sonst noch auf Larraynes Party eingeworfen hatte oder ob er das Zeug auch an ihre Freunde verhökerte.
»Und falls Sie mein Vater genervt hat, dann tut mir das auch Leid.«
Skip schien es ehrlich zu meinen, und Larrayne mochte ihn; Ellen hätte ihm am liebsten gesagt, er solle sich nicht mit Schuldgefühlen für etwas belasten, was sein Vater getan hatte. Stattdessen fragte sie ihn, ob er nicht zum Abendessen kommen wollte. Es gab eine kurze Pause, dann sagte Skip eilig ja und legte auf.
Ellen seufzte, goss sich einen Kaffee ein und rief an, um herauszufinden, ob der Durchsuchungsbefehl für Ian Munros Farm schon fertig war.
Tessa Kane hatte gesehen, wie der Zivilstreifenwagen den Flugplatz Waterloo verlassen hatte, Challis auf dem Rücksitz, Ellen Destry und Scobie Sutton vorn. Sie hatten sich angeregt unterhalten, sie nicht bemerkt und ihr Auto nicht erkannt. Es war ein merkwürdiges Gefühl für sie, Challis so unerwartet mit Kollegen über die Arbeit sprechen zu sehen. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er sich keineswegs so angeregt unterhalten, sondern bekümmert gewirkt. Ihr Fehler, irgendwie.
Und eigentlich auch wieder nicht. Es war nicht so, dass sie bei ihm einziehen wollte oder so was. Sie übte keinen Druck auf ihn aus. Sie hatte einfach nur genug von dem Gepäck, das er mit sich herumschleppte, das war alles. Irgendwie war er deswegen distanzierter als nötig, wenn sie zusammen waren, und davon hatte sie einfach genug. Es war weiß Gott kein leichtes Gepäck, das er mit sich herumschleppte. Schließlich hatte sich seine eigene Frau mit ihrem Geliebten zusammengetan, um ihn umzubringen, und beinahe hätte es ja auch geklappt. Er versuchte, diese Geschichte endlich abzuschütteln, aber das dauerte wohl noch eine Weile. Sie war gewillt zu warten, aber nur bis zu einem gewissen Punkt.
Irgendwie kam sie sich an diesem Tag ausgenutzt vor. Kurz bevor sie das Büro verlassen wollte, hatte es einen wütenden Anrufer gegeben, der sagte, er sei der Mann mit dem Frettchen und bis dato ein loyaler Freund des Progress gewesen, doch nun sei Schluss damit, und sie solle besser aufpassen. Es könnte jederzeit geschehen, Tag oder Nacht, aber es würde geschehen, und es würde nicht schön werden. Sie hatte den Hörer fallen lassen, als hätte er sie gebissen.
Und dann noch der Ärger wegen des Artikels über Asylbewerber.
Sie hatte unter anderem über die Macht von Etiketten gesprochen, mit denen die öffentliche Meinung gemacht und manipuliert wurde. Wenn ein »Asylbewerber« zum »Terroristen« wurde, zum »Eindringling«, »illegalen Einwanderer« oder »Fanatiker«, dann suchte er kein Asyl mehr, sondern nach einer Gelegenheit zu Zerstörung, Unterminierung oder Betrug. Er verdiente kein Mitleid, sondern löste Furcht und Hass aus. Nun bekam sie diese Etikettierung aus erster Hand mit. Noch vor wenigen Wochen war sie die bewunderte Kritikerin der Behörden gewesen, weil diese unfähig waren, Bradley Pike zu fassen. Eine »Wahrheitssuchende«, »Vorbild« der Halbinsel. Nun war sie eine »Verräterin«, eine »gefühlsduselige Schlampe«, eine »Lesbe«, eine »verdammte Intellektuelle«, deren Schuhe ihr ein paar Nummern zu groß waren.
Immerhin hatten ein paar Freunde – wenn auch nicht Challis, noch nicht – angerufen und gesagt, sie sei furchtlos, immerhin schon was, auch wenn Furchtlosigkeit damit gar nichts zu tun hatte. Sie tat einfach nur das, was richtig war, mehr nicht.
Doch als sie den Flugplatz hinter sich ließ, wandten sich ihre Gedanken in eine andere Richtung, auf die sie während ihres mitgeschnittenen Interviews mit Janet Casement gestoßen war. Sie war auf eine simple Human-Interest-Story über eine Ortsansässige aus gewesen, deren Flugzeug unerklärlicherweise von einem besoffenen Idioten gerammt worden war, wodurch das Leben besagter Frau in Gefahr geriet, doch am Ende stand nun aus heiterem Himmel die Bemerkung: »Dabei kenne ich diesen Munro noch nicht einmal.«
Danach hatte Janet Casement
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