Flugrausch
Ellen voller Müdigkeit und Verachtung für ihr Geschlecht an. »Und wenn?«
»Ich habe hier einen Durchsuchungsbefehl für Ihr Grundstück. Dazu gehören alle …«
Er riss ihr das Formular aus der Hand, zerknüllte es und warf den Ball mit der Hand von unten zu John Tankard. »Fang, Fettie.«
Ellen erstarrte. Sie konnte nicht zulassen, dass Munro die Kontrolle übernahm oder sie ablenkte. »Ich habe Ihnen ordnungsgemäß eine Kopie des Durchsuchungsbefehls überreicht, und nun werden meine Detectives und ich Ihren Besitz durchsuchen. Haben Sie das verstanden?«
Doch sie spürte, wie sie innerlich verkrampfte, die anderen vielleicht auch, denn Munro war geschmeidig und voller kaum zu bändigender Energie. Seine Augen funkelten, suchten nach ihrem Innersten und taten es verächtlich ab. Sie erkannte eine Art animalischer Intelligenz an ihm, wusste, sie konnte ihm nicht trauen, brauchte gar nicht erst zu versuchen, ihm zuvorzukommen.
Munro grinste. Und grinsend trat er ins Haus zurück und knallte die Tür zu.
Ellen wandte sich sofort an die anderen. »Ziehen Sie Ihre Waffen. Vielleicht hat er ein Gewehr im Haus. Pam, Sie bleiben hier mit Inspector Challis. Tank, hinters Haus. Scobie, Sie kommen mit mir.«
Sie öffnete die Tür. Im Inneren des Hauses wirkte alles beengt; die Luft war abgestanden. Keine Sonne drang durch die Fenster, und die Wände und Linoleumfußböden wirkten schmuddelig. Nirgendwo Staub, nur eine Atmosphäre freudloser Abnutzung und Enttäuschung. Kein Spielzeug, keine aufgehängten Kinderzeichnungen, obwohl hier Kinder lebten, das wusste Ellen. Sie kontrollierte das Vorderzimmer rechts, Scobie links, und sie trafen sich im Flur wieder, nickten sich kurz zu und gingen dann im dämmrigen Licht in die anderen leeren Zimmer. In der Küche stießen sie auf eine müde wirkende Frau, die wie ein Sack Kieselsteine am Tisch hockte, trübselig mit einer Tasse und einer Zigarette im Aschenbecher spielte. Sie bemerkte sie kaum.
»Mrs. Munro, wohin ist Ihr Mann verschwunden?«
Die Frau antwortete nicht. Sie war abgemagert und mürrisch und starrte zum Fenster über der Spüle hinaus. Unter der Arbeitsplatte stand unpassend weiß und glänzend ein funkelnagelneuer Miele-Geschirrspüler. Die Platte war ein dunkles, gekörntes Laminat, welches man in dem schwachen Licht, das durchs Fenster über der Spüle fiel, kaum erkennen konnte. Hier und dort hingen Kiefernnadeln im Fliegengitter.
»Wir wissen, dass er hier irgendwo ist. Ist er bewaffnet?«
Dann hörte Ellen einen Schrei von draußen hinterm Haus.
Das Haus war alt; Ellen fühlte sich an ihre Kindheit erinnert. Die Hintertür ging auf eine mit Fliegengittern verhängte Veranda hinaus, links und rechts lagen luftige Schlafzimmer hinter Eternitwänden. Eine Fliegengittertür mit Rückholfeder führte auf eine Reihe von bemoosten Betonstufen hinaus, dahinter lag ein Hinterhof, der mit Oleanderbüschen überwuchert war: die Art von abgelegenem Farmhaus, das mal einen Bulldozer brauchte, die Halbinsel war voll davon.
Doch jetzt zählte nur John Tankard. Er lag zusammengerollt auf dem Boden und japste nach Luft.
Ellen kauerte sich mit Scobie vor ihn hin. »Tank? Alles in Ordnung?«
»Der Mistkerl ist mit der Flinte auf mich los. Hab ihn nicht mal kommen sehen.«
»Hat er geschossen?«
»Hat mir damit in den Unterleib gedroschen.«
Ellen sah auf und über den Hof und suchte nach Munro. Ein windschiefer Heuschober, ein Werkzeugschuppen, zersplitterte Paletten, Ziegelsteine, leere Apfelkisten, ein Festbrennstoffofen, zwei dürre Kettenhunde, die sich ihr an den Ketten entgegenwarfen, die über dem verwahrlosten Hof hingen.
Ihr Blick kehrte zum Werkzeugschuppen zurück und zu der Andeutung einer Bewegung im dunklen Inneren. Ein Anlasser leierte einmal, zweimal, dann sprang ein schwerer Motor an.
Ein bullig wirkender Toyota-Pick-up schoss schlingernd aus dem Schuppen, die schwere Stahlwanne schwang hin und her, und die großen Reifen fraßen sich in den Boden. Auf der Ladefläche tanzte ein leeres Fass umher und fiel herunter, und während Ellen zuschaute, hätte sie um ein Haar ihr Leben verloren, denn Munro streckte mit einer Hand die Flinte aus dem offenen Seitenfenster und schoss auf sie.
Sie konnten nichts unternehmen. Der Toyota verschwand vor dem Haus, sie hörten ein Knirschen und Krachen, dann ein zweites Mal, und als Ellen vor dem Haus stand und sich im Geiste schon auf die Verbrecherjagd vorbereitete, stellte sie fest, dass der
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