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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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überhörte ihn. Sie ging die Aufgabe an, so als sei sie todsicher, dass sie Ian Munro finden und als Helden aufs Revier zurückkehren würden.
    Ehrlich gesagt, sie hatte noch keinen Muckser von sich gegeben, seit sie den Dienst angetreten hatte. Sie stürmte wie besessen voran, ihr Gesicht war zu einer unnachgiebigen Maske versteinert, und sie war nicht daran interessiert zu reden.
    »Hat die Katze deine Zunge gefressen?«
    Eine Möwe glitt durch die Luft über ihm und schiss ihm vor die Füße.
    »Hast du das gesehen? Himmel, wir brauchen eine Gefahrenzulage.«
    Pam stürmte weiter, so als habe Tankard kein Wort gesagt. Er musste sich anstrengen, um mit ihr Schritt zu halten, seine fleischigen Oberschenkel rieben aneinander, er keuchte, er fühlte sich verschwitzt, trotz des eisigen Windes. »He, mach mal halblang, okay?«
    Sie überhörte ihn.
    »He, was hat dich denn auf die Palme gebracht?«
    Tank hoffte, dass nicht er es gewesen war, hoffte, dass sie es nicht bedauerte, ihn reingelassen und getröstet zu haben. Tränen schossen ihm in die Augen bei dem Gedanken an die Schmach von neulich, die er manchmal noch fühlte und die sie so liebevoll besänftigt hatte.
    »Was macht das neue Auto?«, rief er, weil er wusste, dass dies kein heißes Thema war.
    Pam legte noch einen Schritt zu, sie streckte den Rücken, und ihre schwingenden Arme peitschten die Luft um sie herum.
    Himmel, was hatte er denn jetzt wieder Falsches gesagt?
    Vielleicht hatte sie es schon zu Schrott gefahren. Vielleicht war es ein Montagsauto und brach andauernd zusammen. Verdammter japanischer Reiskocher, ein Holden V8 wäre ihm allemal lieber.
    Plötzlich blieb Pam stehen. »Was ist?«, wollte Tankard wissen.
    Sie standen am Fuß einer Steilklippe. Links und rechts davon war Gestrüpp, doch die Felswand selbst bestand aus gelbem Gestein und Lehm. Hinter ihnen stürzte das Meer über Felsen, die einem die Haut vom Leib schmirgeln würden, der Penzance-Beach-Shop lag östlich von ihnen, Myers Point westlich hinter einer Landzunge. Tankard und Murphy waren allein, und zum ersten Mal war gruselte es ihn.
    »Was ist?«, fragte er erneut.
    Pam wies auf einen schmalen Streifen Farmland, der die beiden Gemeinden voneinander trennte. »Da oben steht ein Haus. Verlassen. Überwuchert von Efeu und so ’nem Zeug.«
    Er wusste von keinem Haus da oben. »Bist du sicher?«
    »Hier gibt es irgendwo einen Pfad«, sagte Pam, sie wandte sich von der Felswand ab und ging in das dichte Unterholz am Fuß der Klippe. Tankard folgte ihr, und schon bald wurden sie von den kühlen, unheimlichen Senken verschluckt und ließen Wind und Meer hinter sich. Der Pfad verlief im Zickzack und nahm langsam einen sanften Anstieg die Klippen hinauf. Man konnte nur ihren Atem hören, das Sonnenlicht, das durch das dichte Blattwerk gedämpft wurde, lag wie Münzen zu ihren Füßen. Tankard fühlte sich zu den grusligen Orten der Gutenachtgeschichten seiner Kindheit zurückversetzt, und es schauderte ihn.
    Auf der Anhöhe traten sie durch ein Brombeergestrüpp hinaus, und da stand das Haus aus grauen, verwitterten, bemoosten Eternitplatten und rostigem Wellblech, überwuchert von Farnen. Zerrissene Fliegengitter vor den Fenstern, eine zerrissene Fliegengittertür, im Kamin fehlten ein paar Ziegel. Tankard sah erneut zum Dach hinauf. Munro würde nicht so dumm sein und Feuer machen. Der Qualm würde allen seine Anwesenheit verraten.
    Aber Munro war da. Tankard spürte es in den Knochen, und er flüsterte: »Du bleibst hier, ich gehe auf die andere Seite.«
    »Und dann?«
    So weit hatte er noch gar nicht gedacht. Er war durchaus darauf vorbereitet, die Dinge ihren eigenen Lauf nehmen zu lassen, doch er schaute auf die Uhr und sagte: »Zwei Minuten, dann klopfen wir beide und rufen: ›Aufmachen, Polizei!‹«
    Pam zuckte mit den Schultern. »Okay. Aber man hat uns gesagt, wir sollten uns ihm nicht nähern, sondern Meldung machen.«
    »Keine Zeit«, erwiderte Tankard. Er reckte einen Finger in die Höhe, flüsterte: »Zwei Minuten«, und umkreiste das Haus rechts herum, wo das Unterholz nicht so dicht war.
    Und stieß direkt auf Ian Munro, der vor der Hintertür des Hauses auf einer Fläche hart getretenen, graslosen Lehms stand und ihn erwartete; offenbar amüsierte es ihn, wie Tankard um die Ecke gestolpert kam. »Stolpern«, so beschrieb sich Tankard die Szene später im Geiste, doch in diesem Augenblick hatte Munro eine Schrotflinte direkt auf seinen Brustkorb gerichtet und war

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