Flurfunk (German Edition)
Monitoren.
Felix, der das Gespräch mitbekommen hatte, stellte mir ein Bier hin, und obwohl ich Bier nicht mochte, trank ich es, wegen des angeblich beruhigenden Hopfens.
War das mein vorgezeichneter Weg? Ich sah mich mit Lockenwicklern und rosa Bademantel an der Flasche hängen, während ich meine Nägel lackierte und auf Justus’ seltene Anrufe wartete.
»Lotte, du kannst jetzt gehen. Wir sind eh gleich fertig. Du hast durchgehalten, das war sehr professionell von dir! Wir sehen uns morgen.«
Felix lächelte mir aufmunternd zu, und ich war dankbar, verschwinden zu können.
Im Auto hörte ich die Mailbox ab. Justus hatte keine Nachricht hinterlassen.
Na klasse!
Zu Hause zog ich meine Laufsachen an und ging mir meine angestaute Wut wegrennen. »Stress gehört in die Beine« – eine alte Weisheit. Obwohl ich keine Rekorde aufstellte und es auch sicher ansehnlichere Posen von mir gab, als keuchend und mit puterrotem Kopf an Hundehaltern und Exhibitionisten im Park vorbeizurennen, so fühlte ich mich hinterher immer im Reinen mit mir.
Auch heute ließ mich die Endorphinausschüttung nicht im Stich.
Nach einer langen Dusche lümmelte ich mich in Wohlfühlklamotten vor den Kamin und dachte über alles nach.
Meine Meinung wechselte sekündlich: Vielleicht bin ich nicht dazu gemacht, seinen Beruf zu ertragen – Spinn ich oder er? – Das hat so keinen Sinn, nimm die Beine in die Hand und lauf, so lange du noch kannst! – Natürlich hat er was mit Annabelle – Ich steigere mich nur in was hinein! …
»Lotte, bist du da?«
Lena! Allerdings nicht allein, sondern – man höre und staune – mit Casper, better known as the Mitläufer, im Schlepptau.
»Na, hängt der Haussegen nicht mehr schief?« Die Frage konnte ich mir nicht verkneifen.
Die beiden kicherten verlegen.
»Wir haben uns in der Mitte getroffen, schließlich hatten wir beide irgendwie Recht!«, erklärte Casper.
Hört, hört! Na ja, die Hauptsache war, dass beide wieder glücklich schienen und verliebter als zuvor. Was man von mir nicht gerade behaupten konnte und ich wohl auch nicht gut verbarg.
»Das Interview lief wohl nicht so toll, oder wieso liegst du wie Scarlett O’Hara drapiert vor dem Kamin?«, hatte Lena goldrichtig bemerkt.
Also ließ ich die beiden an meinem kleinen bescheidenen Leben teilhaben.
Eigentlich hatte ich gehofft, dass Lena wie immer meine Bedenken mit einem Ruck wegwischen würde, aber dieses Mal war sie merkwürdig still, Casper übrigens auch, was für einen Anwalt viel heißen mag.
»Hallo? Hat’s euch die Sprache verschlagen, oder überlegt ihr, wie ihr mir am schonendsten beibringen könnt, dass ich in einen Psychopathen verliebt bin?«, versuchte ich die Situation aufzulockern. Casper räusperte sich wie vor einer längeren Anklagerede.
»Na ja, also wenn du eine Meinung aus männlicher Sicht hören willst, dann würde ich sagen, dass ich sein Verhalten seltsam finde. Das ist irgendwie schizo. Auf der einen Seite macht er einen auf intensiv und dass du superspecial für ihn bist, auf der anderen Seite zieht er diese ›Ich-will-nicht-zu-dir-stehen‹-Nummer ab, weil ihm sein Privatleben so wichtig ist. Wenn er so weitermacht, hat er bald kein Privatleben mehr, denn ich hoffe, dass du ihn vor die Wahl stellst. Hü oder hott, aber so machst du das alleine nervlich nicht mehr lange weiter, wenn ich das mal so bemerken darf.«
Spiel und Satz, Herr Anwalt.
Wenn sogar Casper als Außenstehender das so sah, dann gute Nacht!
»Meint ihr, ich soll Schluss machen?« Allein beim Aussprechen des S-Wortes stiegen mir die Tränen in die Augen.
»Nein!« Beide schüttelten den Kopf.
Lena setzte sich zu mir.
»Übertreiben musst du nicht gleich, aber ich würde ihn langsam mal auffordern, Farbe zu bekennen.«
»Eigentlich tut er das ja. Zumindest wissen seine Kollegen, dass es mich gibt. Und meine Mutter hat er auch schon getroffen! Er verheimlicht mich also nicht wirklich«, versuchte ich Partei für ihn zu ergreifen.
»Ja, aber so richtig steht er auch nicht dazu. Er soll dir endlich sagen, warum er so ein Problem hat, damit du ihn verstehen kannst. Dann kannst du immer noch entscheiden, ob die Begründung plausibel ist oder einfach nur ’ne Schutzbehauptung. Aber so wie du tickst, Lotte, brauchst du vor allem eines: Klarheit! Zumal du dich nicht medienwirksam wie Annabelle wehren kannst oder Dinge korrigieren. Der Einzige, der die Wahrheit sagen und Annabelles Müll richtig stellen kann, ist Justus. Und der
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