Flurfunk (German Edition)
fängst an, dich zu verändern, und das macht mir wirklich Angst, denn das bedeutet, dass Justus immer noch Macht über dich hat.«
Lena hatte mit allem, was sie sagte, Recht. Auch ich spürte, dass es so nicht weitergehen konnte. Was hatte ich nur für ein Glück, Lena zur Freundin zu haben, die es gut mit mir meinte und immer den Mut hatte, mir auch unbequeme Sachen zu sagen.
»Du hast Recht! Und was machen wir jetzt?«
»Wir gehen aus! Wie wär’s mit Kino?«
Gerade noch rechtzeitig hielt ich die Klappe und verkniff mir meinen Kommentar, von Schauspielern gleich welcher Couleur die Schnauze voll zu haben.
»Kino ist super!«
Im Prinzip war alles besser, als wieder in meinen Homelook zu steigen, der aus Jogginghose, T-Shirt und Wollsocken bestand, und Zwiegespräche mit Cara zu führen.
Überhaupt, als ich mich anzog, fiel mir auf, dass ich bestimmt zwei Wochen nicht mehr shoppen gewesen war. Dabei war bestimmt schon die erste Winterkollektion eingetroffen. Die hätten mich aber auch mal anrufen können, doch anscheinend hatten sie es wohl nicht nötig, wenn sie eine Stammkundin nicht vermissten! Sollte mir noch mal einer was von antriebsschwacher Wirtschaft erzählen.
Am Kino war die Hölle los. Wir hatten vergessen, dass Kinotag war, und zudem waren wir spät dran. Man hätte meinen sollen, dass man für Filme, in die Lena will, immer Karten bekommt, aber wer hätte es gedacht, selbst der Kunstfilm war ausverkauft, was wohl an der Uninähe des Kinos lag.
»Wenn Se wollen, können Se noch in die Sneak Preview«, bot uns die Schalterdame an.
Lena rümpfte die Nase. »Ich weiß nicht. Da zeigen die meistens gehaltlose Blockbuster.«
Ich hatte mich nicht aus meiner sicheren Höhle des Vergessens herausgequält und aufgestylt, um dann sang- und klanglos wieder nach Hause zu fahren. Also sagte ich: »Komm, Lena, wenn wir schon mal da sind. Wenn’s dir nicht gefällt, gehen wir wieder.«
Lena willigte ein, nicht zuletzt, um meinen guten Willen zu honorieren.
Immerhin durfte sie dafür eine neue Erfahrung mit dem Sneak-Preview-Publikum machen. In Filme, die Lena mochte, gingen Intellektuelle, die sich über Truffaut-Filme unterhielten und höchstens durch ein Schmunzeln oder ein leises, erheitertes Lachen auffielen, stets dezent, versteht sich – lauthals lachende Schenkelklopfer waren eher selten unter ihnen zu finden.
Für die Sneak Preview hatte sich das komplette Umland eingefunden, in der Annahme, etwas Großstädtisches zu erleben. Der Lärmpegel konnte locker mit einem Familiensamstagnachmittag im Städtischen Schwimmbad mithalten, bei Zigarettenwerbung wurde geklatscht, wenn eine Frau auf der Leinwand auftauchte, gepfiffen und kollektiv »Ausziehn!« gerufen, und auch sonst war man vor kompetenten Zwischenrufen wie »Ich will ein Kind von dir!« oder »Einer geht noch, einer geht noch rein!« nicht gefeit. Die Bierflaschen klirrten aneinander, und eine Gruppe spaßiger Zeitgenossen fing an, mit Popcorn um sich zu werfen.
»Endlich, es geht los!«, seufzte Lena, als der Vorhang sich zuzog und wieder für den Hauptfilm aufging.
Leise Musik, ein Kameraflug über eine Sommerlandschaft, nach Blockbuster sah es nicht aus. Die Spannung steigt, die ersten Namen werden eingeblendet, der Titel Erspare dir die Liebe , dann ein Close-up auf Justus!
Gellende Pfiffe der enttäuschten Prolls, die auf einen Specialeffect-Film gehofft hatten, Protest der anwesenden Mädchen, die den Film natürlich sehen wollten, und ein ungläubiger Blick zwischen Lena und mir.
»Das gibt’s nicht! Kann man denn nicht mal mehr ins Kino gehen! Seit wann gibt’s deutsche Filme als Sneak Preview!«
Lena flüsterte aufgeregt zurück: »Tut mir Leid, Lotte! War ’ne blöde Idee mit dem Kino! Komm, wir gehen.« Sie stand auf und wollte unter »Hey, setz dich gefälligst wieder, ich seh nichts«-Zurufen Richtung Ausgang, doch ich zog sie zurück.
»Lena, das ist genau, was du gesagt hast. Er wird mich immer verfolgen, und es wird Zeit, dass ich mich daran gewöhne und der Realität stelle. Wir bleiben! Ich härte mich ab!«
Bewundernd sah sie mich an. »So kenne ich dich, Lotte! Aber du weißt: Wir können jederzeit gehen!«
Daran dachte ich jeden Moment, den ich Justus ansehen musste. Versuche ihn als Schauspieler zu sehen, redete ich mir zu. Stell dir vor, er wär dir nie begegnet, sieh ihn einfach als die Rolle. Und da er wirklich ein guter Schauspieler war, gelang es mir sogar – bis
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