Flurfunk (German Edition)
Telefon gewesen, hätte ich den Unterschied gehört! Du vergisst, dass dein Justus und ich fast Kollegen hätten sein können!«
»Er ist nicht mehr mein Justus und wird es auch nie mehr sein! Er ist Annabelles Justus!«
»Ach, Kindchen. Das war doch nur ein Ausrutscher. Diese durchtriebene Person wusste genau, wie sie den armen Justus in Versuchung bringen konnte, nachdem du ihm die kalte Schulter gezeigt hast.«
Wie bitte? Hatte ich mich verhört?
Wofür wurde ich eigentlich bestraft? Meine Mutter stand auf Justus Staufens Seite und machte mir unterschwellig Vorwürfe, nach allem, was er getan hatte?
Konnte ihr bitte jemand erklären, dass die Zeiten, in denen ein Mann alles durfte und die geknechtete Ehefrau die Augen verschloss, weil er doch so gut für einen sorgte, die Kinder nicht schlug und sich ja noch austoben musste, ein für alle Mal vorbei waren?
Ich atmete tief durch.
»Entschuldige, Mama, aber das ist nicht dein Ernst! Er hat mit mir Schluss gemacht, und das nicht mal persönlich! Er ließ Annabelle mir meine Sachen zurückgeben!«
Selbst dieser Einwand konnte der eigenen Realität meiner Mutter nichts anhaben!
»Ich sage doch nur, dass es ein Ausrutscher war und du ihm ruhig verzeihen könntest. Nachdem der erste Zorn verraucht ist, sehe ich das milder. Jeder hat eine zweite Chance verdient. Männer haben sich eben manchmal nicht im Griff. Das macht das Testosteron. Und Justus ist Künstler, der ständig Versuchungen ausgesetzt ist. Marlene sagt auch, dass gerade junge Künstler damit noch nicht umgehen können!«
Marlene! Natürlich! Wieso war ich da nicht gleich draufgekommen? Sie hatte Angst, Justus als Stargast für Katharinas Hochzeit zu verlieren. Wie ich unsere bescheidene Marlene kannte, wusste jeder, einschließlich der Presse, schon Bescheid, sodass das Nichtauftauchen von Justus einer gesellschaftlichen Blamage sondergleichen gleichkäme.
»Mama, richte Marlene bitte aus, wenn sie nur Angst hat, die Traumhochzeit ihrer kleinen Prinzessin würde durch Justus’ Abwesenheit geschmälert, dass man mit Geld, und davon hat sie ja genug, so ziemlich jeden Prominenten für einen Abend buchen kann. Die Preislisten gibt’s übers Management.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, legte ich auf. Die konnten mich alle mal gern haben!
Zurück vom Essen im Sender, wartete Felix mit einer Aufgabe für mich.
»Lotte, kannst du bitte nachprüfen, ob wir für alle Talente, die auftreten, einen unterzeichneten Vertrag vorliegen haben? Hier sind die Verträge und die Liste.«
»Was steht denn in den Verträgen drin?«
»Dass jeder, der an der Verleihung teilnimmt, zwei Wochen vorher nirgends im deutschen Fernsehen live auftreten darf.«
»Echt? Und das machen die?«
Felix schaute mich entgeistert an.
»Klar machen die das. Bei den Einschaltquoten! Für Wetten, dass …? müssen die sogar für vier Wochen unterschreiben, glaube ich.«
Na dann wollte ich mal sehen, ob alle brav unterschrieben hatten. Als ich zu Justus’ Vertrag kam, musste ich kurz schlucken. Dann fiel mir aber ein, dass dieser Vertrag bedeutete, mindestens zwei Wochen in Sicherheit fernsehen zu können! War auch etwas wert und der erste positive Gedanke seit langem! Ich würde doch nicht etwa die Kurve kriegen?
Wenn es nach Lena ging, war ich weit entfernt davon, die Kurve zu kriegen, denn als ich nach Hause kam, wartete sie bereits auf mich.
»Na, wie war dein Tag, Lotte?«
»Na ja. Okay.«
»Aha. Und was machst du heute Abend?«
Gute Frage! Das, was ich seit kurzem immer machte. Einen seichten Film schauen oder Royals lesen, und dann so früh wie möglich schlafen. »Nichts Besonderes!«
Lena schaute mich strafend an.
»Das heißt, du willst dich wieder depressiv in dein Zimmer verkriechen und richtig schön leiden? Nein, Lotte. Jetzt ist Schluss! Selbst Cara gehst du auf die Nerven mit deiner Es-gibt-kein-Leben-nach-Justus-Staufen-Tour. Wo bleibt eigentlich deine Würde und deine Selbstbeherrschung, auf die du immer so stolz warst? Du lässt zu, dass ein Typ das aus dir macht? Ich verstehe nur zu gut, du bist verletzt, und es ist sicher eine Spur härter als normaler Liebeskummer, wenn alles öffentlich abläuft, aber was willst du denn machen? Weglaufen?«
Ob jetzt wohl ein günstiger Zeitpunkt war, Lena von meinen Auswanderungsplänen zu berichten?
Lena sah mich eindringlich an.
»Lotte, anfangs war es vollkommen okay, sich zu verkriechen und zu leiden, aber inzwischen ist es zu einer Gewohnheit verkommen, und du
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