Flurfunk (German Edition)
an.
»Och, nur so.«
»Jetzt mal nicht die Nerven verlieren, Mädel. Konzentrier dich bitte, ja. Ich bin eh nicht überzeugt, ob das so ’ne gute Idee war, dich als Eskorte einzusetzen, nach allem, was mit dem Staufen gelaufen ist. Aber der Chef hat ja drauf bestanden, weil du so ein hübsches Gesicht hast. Also, mach mir jetzt bitte keine Schande, okay?«
Felix sah mich tatsächlich als potenzielle Gefahr. Aber wovor hatte er Angst? Dass ich Justus im Klo einsperrte, Annabelle die Busentapes klaute oder irgendwelche Stecker zog?
»Felix. Habe ich dich je enttäuscht? Na also! Ist Justus überhaupt schon da?«
Felix sah auf einen Ablaufplan. »Nein, der kommt erst in einer halben Stunde, und dann ist er erst mal in der Maske.«
So lange hatte ich Schonfrist. Wenigstens war ich optisch vorbereitet. Vor lauter Kummer hatte ich einige Kilo abgenommen, was ich jetzt zum Anlass nahm, meine Beine sehr großzügig zu präsentieren. Mein Kleid war genau richtig. Es ließ an den strategisch wertvollen Stellen einiges erahnen, aber nichts richtig sehen. Die Hohe-Stiefel-zum-kurzen-Kleid-Nummer funktionierte immer. Wie ich mich allerdings verhalten sollte, wenn Justus mich ansprach, wusste ich auch nach den endlosen Diskussionen mit Lena, Mimi und Tim nicht.
Lena hatte mir gesagt, ich solle ihn ignorieren. Mimi riet, ihn professionell distanziert zu behandeln, und Tim fand, ich solle von meinem imaginären neuen Freund erzählen, der mich überhaupt nicht mehr schlafen ließ.
Dass ich nicht mehr schlafen konnte, stimmte sogar, denn seit Tagen wälzte ich mich ruhelos durch die Nacht. Allein der Gedanke, Justus seit dem Vorfall mit Annabelle in die Augen zu schauen und nicht zu wissen, was ich fühlen würde, war schlimm genug. Musste das Wiedersehen ausgerechnet vor Publikum stattfinden, während ich unter Druck arbeiten musste und zu allem Übel auch noch Annabelle anwesend sein würde?
Zwar hatte ich mein Abhärtungsprogramm, das aus Film-und-Fotos-Anschauen bestand, erfolgreich bestanden, aber wer konnte schon wissen, ob das für den Notfall reichte? Ich fühlte mich wie beim Verhaltenstherapeuten, der einen gegen Spinnenangst therapierte, bisher immer nur über Spinnen gesprochen und Fotos gezeigt hatte und dann einem die Tarantel auf die Hand setzte. Ich konnte nur hoffen, im unausweichlichen Moment die Haltung zu bewahren, allein schon, um meinen Job zu behalten.
Mimi trug einen figurbetonten Hosenanzug und sah umwerfend aus.
»Mann, das ist so heiß hier. Die Lichter brennen wie blöd!«
Allerdings. Zum Glück musste ich nicht zerlaufen auf die Bühne und einen Preis mit Achselringen entgegennehmen. Langsam wurde mir auch klar, warum ich als Einzige in meinen Träumen den Oscar jubelnd entgegennahm und begeistert in die Höhe riss. Würde in Wirklichkeit keine machen.
»Ich schwitze ja nicht so leicht, aber die anderen, die später auf die Bühne müssen, tun mir jetzt schon Leid.« Mimi grinste.
»Keine Angst, von denen wird niemand schwitzen.«
»Und warum bitte nicht? Trainieren die in der Sauna?«
Mimi schüttelte lachend den Kopf.
»Nee, die lassen sich alle Botox in die Achseln spritzen.«
Wie war das: Von den Großen lernen heißt siegen lernen? Ich war mir nicht mehr so sicher.
Auf der Bühne wurde der letzte Soundcheck durchgeführt, Kamerafahrten wurden geübt und Beleuchtungen angebracht.
Tim, der nicht als Eskorte, sondern als persönlicher Betreuer eines amerikanischen Rappers eingeteilt war, kam wie schockgefroren angerannt.
»Und wie läuft’s? Auf du und du mit den celebrities ?«, frotzelte Mimi.
Tim sah alles andere als amüsiert aus. Er war keiner, der schnell aus der Ruhe zu bringen war, und unter Druck arbeitete er noch besser als sonst, aber der Rapper schien nicht pflegeleicht zu sein.
»Es ist die Hölle!«, legte Tim los. »Der Typ will jede Minute was anderes. Gerade verlangte er nach Tee. Ich wundere mich zwar, dass er nicht ’ne Cola will, aber denke, was soll’s, vielleicht will er die Stimme ölen, und besorge ihm seinen Tee. Er schaut mich entgeistert an und fängt an zu schreien, ob ich komplett doof wäre, er will T, englisch ausgesprochen ›Ti‹. So heißt sein Friseur, der das Vergnügen hat, mit ihm zu reisen. Als ob das nicht genug wäre, renne ich auf dem Gang seinem Erzrivalen Flash D in die Arme, der wirklich so klein ist, wie man sagt. Der hat nichts Besseres zu tun, als Carmen, die wahrscheinlich seit langem der einzige ausgewachsene Mensch ist, der
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