Flurfunk (German Edition)
Mimi war für die Akkreditierungen und Ausgabe der verschieden gestaffelten Backstagepässe zuständig, wobei sie nur die Künstler plus Entourage versorgte, die Journalisten und Fotografen übernahmen die hauseigenen Pressereferenten.
Schnell lief ich zu Mimi in das eigens aufgebaute Akkreditierungsbüro.
»Ist was passiert? Du hast so panisch geklungen!«
»Allerdings! Setz dich, Lotte.«
Mimi war bleich und wühlte aufgeregt in irgendwelchen Unterlagen.
»Lotte, ich glaube, ich weiß, was mit Justus los ist. Ich bin gerade seine Anmeldung durchgegangen und wollte sie abheften. Alle, also auch die Künstler, müssen doch eine Kopie ihres Personalausweises mitschicken. Zufällig habe ich mir Justus’ Ausweis genauer angeschaut.«
Worauf wollte sie hinaus? Dass er erst fünfzehn war und sich deshalb nicht mit mir einlassen durfte?
»Ich versteh nicht, was du meinst, Mimi!«
»Lass mich mal ausreden! Wusstest du, dass Justus Staufen nicht sein echter Name ist, sondern nur ein Künstlername?«
Nein, das war mir neu. Ich war immer davon ausgegangen, dass Justus Staufen sein Geburtsname war, warum auch nicht, war ja kein besonders ausgefallener Name, und Justus hatte nie etwas anderes gesagt.
»Okay, dann sag ich dir jetzt mal seinen richtigen Namen. Justus heißt eigentlich Rufus Dornbaum, geboren in New York.«
»Nee!«, entfuhr es mir.
Schlagartig fügte sich das Puzzle zusammen. »Du meinst, er ist der Sohn von …?«
Mimi nickte.
»Klar, hast du nicht gesagt, dass sein Vater in Wien lebt und seine Mutter Reisejournalistin ist?«
Allerdings! Wenn er tatsächlich der Sohn von Heinz und Ruth Dornbaum war, machte sein ganzes Verhalten Sinn.
Heinz und Ruth Dornbaum brachte jeder in Zusammenhang mit einem der größten Skandale der letzten Jahre. Er war angesehener Schauspieler gewesen, einer der wenigen, die es bis Hollywood geschafft hatten, und der Vorzeigedeutsche schlechthin. Glücklich verheiratet mit der Journalistin Ruth, die er bei einem Interview kennen gelernt hatte. Sie hatten einen gemeinsamen Sohn, Rufus, und waren das, was man eine heile Familie nannte.
Bis eines Tages ein Mädchen an die Presse gegangen war, Dornbaum habe sie sexuell belästigt und ihr eine Rolle versprochen, wenn sie sich darauf einlasse. Gefundenes Fressen für die Journaille, zumal sich ein weiteres Mädchen fand, dem angeblich das Gleiche widerfahren war.
Dornbaum, der die Vorwürfe immer abstritt, wurde natürlich vorverurteilt, über Wochen waren er und seine Familie auf der ersten Seite. Seine Frau, wie sie mit Rufus alias Justus im Auto wegfährt, der Sohn immerhin mit schwarzem Balken retuschiert. Dornbaum, wie er in Handschellen abgeführt wird, und ellenlange Interviews mit der angeblich qualvollen Geschichte des armen Mädchens.
Seine Frau hielt den Trubel nervlich nicht mehr aus und floh mit dem gemeinsamen Sohn in die USA , nach New York, wo die Familie früher schon einige Jahre gelebt hatte und der Sohn auch zur Welt gekommen war.
Nachdem sich die Öffentlichkeit schon ein Urteil gebildet hatte, konnte Dornbaums Verteidigung die Wahrheit zu Tage bringen.
Das Mädchen, das die Vorwürfe erhoben hatte, war schon länger als fanatischer Fan im Freundeskreis bekannt gewesen. Eines Abends war sie Dornbaum in einer Hotelbar endlich näher gekommen, hatte eine Nacht mit ihm verbracht und war am nächsten Morgen durchgedreht, als dieser sich für seinen Fehltritt schämte und im Leben nicht daran dachte, seine Frau zu verlassen.
Das Mädchen hatte sich um ihren Lebenstraum betrogen gefühlt und schwor auf Rache. Glaubwürdig war sie durch die gemeinsame Nacht gewesen, da sie Details über Dornbaum zum Besten geben konnte, die man nur wissen konnte, wenn man intim gewesen war. Natürlich war auch das genüsslich ausgeschlachtet worden.
Das zweite Mädchen, das sich bei der Polizei gemeldet hatte, wurde relativ schnell als verwirrte Trittbrettfahrerin identifiziert, deren Meldung nichts anderes als ein Schrei nach Aufmerksamkeit gewesen war und die nachweislich Dornbaum nie getroffen hatte.
Der Schaden war nicht mehr zu beheben. Die Ehe der Dornbaums zerbrach, er wurde nie richtig rehabilitiert, und sie hatte mit ihrem Sohn lange Zeit in den usa gelebt. Ich konnte mich nur zu gut an die Geschichte erinnern, meine Mutter als bekennender Dornbaum-Fan hatte uns wochenlang mit den neuesten Schlagzeilen genervt und uns über jedes Detail auf dem Laufenden gehalten. Natürlich war sie der Meinung gewesen, dass
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