Flurfunk (German Edition)
Dornbaum der Heilige unschuldig sei – womit sie letztendlich auch Recht behalten hatte.
»Mensch, Mimi! Das macht alles Sinn! Deshalb durfte ich nie Familienfotos sehen oder seinen Vater treffen. Ich hätte die doch gleich erkannt.«
»Klar! Und man kennt ihn hier nicht, weil er bei seiner Mutter in den Staaten aufgewachsen ist.«
»Und daher auch sein gestörtes Verhältnis zur Presse. Kein Wunder, dass er ’nen anderen Namen hat. Ich wollte auch nicht auf so eine Geschichte meiner Eltern angesprochen werden. Aber mal ganz ehrlich, findest du das Verhalten nicht etwas übertrieben, Trauma hin oder her? Ich meine, letztlich hat sich doch alles aufgeklärt.«
»Schon, aber was meinst du, was man für ’nen Hau abbekommt, wenn deine Familie so übel in den Schlagzeilen stand. Was mich eher wundert, ist, dass es bisher noch niemand rausgefunden hat. Da hat er echt Glück gehabt.«
Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter. Erschrocken zuckte ich zusammen.
»Lotte, wo bleibst du denn? Du musst in fünf Minuten Tyra abholen.«
Felix sah mich vorwurfsvoll an.
Total verwirrt ging ich zurück zu Tyras Garderobe.
Die Show begann in einigen Minuten, und Tyra war eine der Ersten, die auf die Bühne musste. Schweigend saßen wir da, nur ihr Management und ihre Assistentin wuselten herum. Immerhin gab die kurze Pause mir die Gelegenheit, mich zu ordnen. Endlich verstand ich Justus’ Verhalten, wusste, was er versucht hatte mir zu sagen. Wieso hatte ich ihm nicht zugehört oder die Chance gegeben, sich zu erklären? Auf der anderen Seite entschuldigte es nicht seinen Fehltritt mit Annabelle und erst recht nicht die Art, wie er mich abserviert hatte.
Ich begleitete Tyra den vorgeschriebenen Weg zur Bühne. Dort wurde sie verkabelt, der Aufnahmeleiter zählte die verbleibende Zeit herunter, Ansage auf der Bühne, und schon war sie oben, lachte, sang wie ein Goldkehlchen, und keiner hätte je geahnt, dass das Kind eigentlich mit Wadenwickel ins Bett gehörte.
Allerdings hätte auch keiner geahnt, dass ich gerade über Justus’ wahre Identität sinnierte.
»Felix für Lotte. Lotte, wir haben einen Engpass. Iris ist umgekippt und fällt erst mal aus. Du musst, wenn Tyra fertig ist, Justus und Annabelle abholen. Tut mir wirklich Leid, hab alles versucht, dir das zu ersparen, aber wir schaffen es organisatorisch nicht anders. Die beiden präsentieren die Kategorie Bester deutscher Film , gleich nach der Tanzeinlage.«
Das hatte noch gefehlt! Justus allein wäre noch gegangen, aber zusammen mit Annabelle! Was gaben wir für eine hübsche Triade ab. Wie passend! Da konnten Annabelle und ich auf dem Weg gleich mal Erfahrungen austauschen. »Und, wie war er so bei dir?«
Mit zusammengebissenen Zähnen klopfte ich an der Tür, trat ein und blickte in die erstaunten Gesichter von Justus, Annabelle, Ulli Becker und einem mir unbekannten Mann.
»Charlotte! Du?«, rief Justus erfreut. Da war es wieder, sein frohes Lachen und die blitzenden Augen. Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen, riss mich allerdings schnell zusammen. Wie dreist war er eigentlich, nach allem was passiert war, mich freudig anzulachen?
Ulli Becker dagegen zog ein Gesicht wie drei Liter saure Milch. »Ich hatte doch extra darum gebeten, sie nicht als Eskorte zu haben.«
Annabelle seufzte entnervt: »Die Klette verfolgt einen aber auch überallhin.«
Mir platzte der Kragen. »Tut mir Leid. Ich kann mir auch Schöneres vorstellen, aber wie es das Schicksal will, ist eure Eskorte in weiser Voraussicht umgekippt, wer kann es ihr verdenken, und da ich die Einzige zu sein scheine, die mit deiner charmanten Art umgehen kann, Ulli, werdet ihr mit mir vorlieb nehmen müssen, aber ob meine Toleranz ausreicht, euch tatsächlich bis zur Bühne zu bringen, weiß ich nicht.«
Justus lachte laut los, worauf Ulli Becker ihn heftig anfuhr: »Du wirst schon noch sehen, was du davon hast!«
Nun schaltete sich der Fremde ein. »Frau Becker, darf ich Sie daran erinnern, dass Sie Justus nicht mehr vertreten und wir diese letzten Promotouren nur noch gemeinsam machen, um den anstehenden Film gut zu bewerben. Und im Übrigen verbitte ich mir diesen Ton. Ich muss ehrlich gestehen, Schmeichelhafteres über Sie gehört zu haben!«
Wer war dieser Mann, und wieso war er so klug und schlagfertig?
Justus, der mich keinen Augenblick aus den Augen gelassen hatte, klärte mich auf: »Darf ich vorstellen, Kurt Saner, mein neuer Manager.«
Ach was! Was war denn da im
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