Flurfunk (German Edition)
Märchen vom Licht im Tunnel. Ist alles wissenschaftlich erwiesen.«
»Wissenschaftlich erwiesen« war eine von Lenas Lieblingsredewendungen.
»Ach Lenchen, ich weiß, dass das total pubertär von mir ist, aber mich hat’s wirklich erwischt. Meinst du, ich soll wirklich mit Mimi und Tim sprechen? Die glauben, ich hab voll das Rad ab, mich nach nur einigen Tagen Praktikum in einen Schauspieler zu verlieben, den ich verkabelt und mit dem ich mich kurz unterhalten habe. Total unprofessionell!«
Lena überzeugte mich, dass ich entweder weiter träumen oder aber versuchen konnte Justus zu treffen, um festzustellen, ob ich mir das alles nur eingebildet hatte.
»Na gut, morgen Abend ist doch das alljährliche Rosenfest bei meinen Eltern. Ich habe Mimi und Tim auch dazu eingeladen. Vielleicht ergibt sich ja ein günstiger Augenblick, in dem ich beichten kann.«
Lena freute sich diebisch.
»Juhu! Ich freu mich richtig auf das Konsumfest. Ich weiß nur noch nicht, womit ich deine Eltern dieses Jahr schocken kann. Eigentlich sehr großzügig, beinahe schon tolerant, dass ich noch mal am legendären Fest der Rosenzweigs teilnehmen darf.«
Da hatte sie Recht. Im letzten Jahr war die Stimmung zwischen Lena und meinen Eltern ein wenig eskaliert. Ich konnte mich nur zu gut daran erinnern, als Lena sich über Asylpolitik ausgelassen hatte und von ihrer Mitgliedschaft bei den Globalisierungsgegnern erzählt hatte, nachdem Marlene sich als Fastfoodfan geoutet hatte, worauf mein Vater, der im Nebensatz die Globalisierungsdiskussion mitbekommen hatte, »fanatische Öko-Terroristen« in die Runde geworfen hatte. Seither verstand Lena auch, weshalb ich ihr einmal auf die Frage »Womit könntest du deine Eltern am meisten schocken?« nicht »Wenn ich ungewollt schwanger würde, anschaffen ging oder Drogen nehmen würde« geantwortet hatte, sondern mich für »die Grünen wählen« entschieden hatte. Lena hatte gelacht und gemeint, sie könnte ja mal andeuten, dass sie sich überlege, in die PDS einzutreten, was ich dann doch übertrieben gefunden und sie darauf verwiesen hatte, sie habe doch eigene Eltern, die sie ärgern könne. Auf alle Fälle wurde Lena trotz ihrer Ansichten ähnlich einem schwarzen Schaf in unserer Familie geduldet, man hatte sich daran gewöhnt, dass sie seltsam und zugleich meine beste Freundin war.
Wir saßen bis spät in die Nacht am Küchentisch und unterhielten uns abwechselnd über Malte und Justus. Lena verzog sich schließlich gähnend und nicht ohne noch einmal zu erwähnen, dass sie total Muskelkater und ’ne Blasenentzündung vom Intermezzo mit Malte habe und sich richtig auf ihr Bett freue, während ich komplett aufgekratzt und hormontrunken noch überhaupt nicht müde war.
Erst sah ich noch fern, dann las ich eines von Lenas Büchern über Gesteinsschichten in Alaska – eigentlich ein todsicherer Garant zum Einschlafen –, doch heute half einfach nichts. Schließlich setzte ich auf die altbewährte Methode und legte eine Hörspielkassette ein. Erst griff ich nach Hui Buh das Schlossgespenst , dann entschied ich mich aber doch für Die drei Fragezeichen . Und tatsächlich ließen mich die Kinderstimmen von Justus, Jonas und Peter schon bald in einen süßen Schlaf fallen.
vier »Lotte, kannst du dich um die kreischenden Teenager draußen im Hof kümmern?«, fragte Felix, als ich gerade aus dem Schnitt kam, wo ich den Morgen über das pulitzerpreisverdächtige Interview mit Justus selbst geschnitten hatte, weil sonst noch keiner dafür Zeit gehabt hatte.
»Klar!« Ich war noch immer ganz euphorisch, aber auch verärgert, weil ich mich am Tag zuvor gar nicht so sehr hätte beeilen müssen und stattdessen noch mit Justus die Nummern hätte tauschen können.
Felix schien tatsächlich um die Mädels, die auf Fab5 warteten, die angesagteste Boyband, die Großbritannien momentan zu bieten hatte, besorgt zu sein. »Bei den Temperaturen und so lange, wie die schon dastehen, kippen uns sonst noch welche um. Besorg doch mal Getränke und Süßigkeiten. Wir wollen ja nicht, dass uns die Zielgruppe vom Fleisch fällt und wir uns mit den erzürnten Eltern rumschlagen müssen!« Er versuchte, es beiläufig und cool klingen zu lassen, aber in Wirklichkeit war er ein Seelchen.
Felix war vor kurzem von seiner langjährigen Freundin verlassen worden und ließ sich seitdem jeden Abend voll laufen. Immer in Gesellschaft, versteht sich – ein Vorteil, wenn man in den Medien arbeitete. Felix plagte Tinnitus, wie
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