Flurfunk (German Edition)
eingeladen?«
Ich hatte es natürlich vergessen, versprach aber schnell, noch einige alte Freunde anzurufen und auch Mimi und Tim zu fragen, ob sie Lust auf das Fest hätten.
Als ich die beiden kurz darauf einlud, versprachen sie zu kommen. »Allein schon aus Neugierde«, wie Mimi zugab.
»Wie muss ich mir denn eine ›legere Veranstaltung‹ bei deinen Eltern vorstellen? Mimi hat da so Andeutungen gemacht … von wegen der ›weiche Chantré-Clan‹.« Tim grinste.
»Also als Verhaltensforscher für Etikette wirst du deine reine Freude haben«, frotzelte ich und ging zu meinem Platz.
Erleichtert, endlich aus dem Office rauszukönnen, beschloss ich erst mal, eine Runde laufen zu gehen. Die frische Luft tat gut, und beim Laufen konnte ich am besten abschalten.
Nach einer kalten Dusche ging es mir aber immer noch nicht anders. Ich konnte nur an i h n denken und stellte mir sein Gesicht vor und wie er mich angelacht hatte. Mir kam eine geniale Idee. Ich fuhr in die nächste Videothek und fragte nach, ob es Frostbeulen schon auf dvd gab, was natürlich nicht der Fall war.
Jetzt blieb nur noch die Fünf-Buchstaben-Rettung: Prada!
Für leichtere Fälle reichte Gucci, für mittelschwere Dolce, doch bei einem Notfall half ausschließlich Prada!
Schnell fuhr ich in unsere Einkaufsstraße, auch als mein zweites Zuhause bekannt, rüttelte aber nur an verschlossenen Türen.
Das konnten die doch nicht mit mir machen! Das war fahrlässig! War denn noch niemandem der Gedanke gekommen, einen
24-Stunden-Bereitschaftsdienst für Frauen in Not einzurichten, die ihr seelisches Gleichgewicht verloren hatten und zur Wiedererlangung desselben dringend an edlen Stoffen schnüffeln mussten?
Enttäuscht und keinen Deut ruhiger, fuhr ich nach Hause.
Ich versuchte es mit Klavierspielen, doch außer Popschnulzen fiel mir nichts ein. Als ich mich dabei erwischte, die ersten Klänge von Endless Love anzuschlagen, beschloss ich, auch das sein zu lassen, und begann die Wohnung zu putzen.
Wo blieb denn nur Lena?
Nachdem ich zwanghaft alles gescheuert hatte, was zu scheuern war, und schon grübelte, ob in meiner analen Phase vielleicht etwas schief gelaufen war, kam mir die glorreiche Idee, auf Justus’ Homepage zu surfen und die Fotogalerie durchzuklicken.
Seine Biografie kannte ich auswendig: Ausbildung an einer der renommiertesten Schauspielschulen in Wien, erste Theatererfolge und dann von Radek persönlich in einem Stück entdeckt und für Frostbeulen gecastet worden – ein Überraschungserfolg. Sogar einen Preis, einen Bären, hatte der Film bekommen und war auch in Cannes vorgestellt worden.
Endlich hörte ich Lena die Tür aufschließen und sprintete ihr entgegen.
»Na, du bist ja wieder ganz schön fit im Vergleich zu heute Morgen«, meinte sie mit breitem Grinsen.
»Ja, ich muss dir auch dringend etwas erzählen!«
Ich legte sofort los und war erst mal nicht zu bremsen.
Lena kreischte und rief abwechselnd: »Wahnsinn!«, »Nee, das gibt’s doch nicht!«, um dann wieder zu kreischen: »Lotti, so kenn ich dich ja gar nicht. Der Typ muss es dir echt angetan haben! Wir haben Frostbeulen doch gemeinsam gesehen, der Film war unglaublich gut! Wenn Justus Staufen im echten Leben annähernd so ist wie in diesem Film, kann ich dich verstehen.«
»Besser, besser als im Film. Und vor allem ist er im Gegensatz zu vielen anderen Schauspielern groß genug.« Ich seufzte.
»Wann siehst du ihn wieder?«
Das war das Problem, ich wusste weder, wann ich ihm begegnen würde, noch, wie ich an ihn herankommen könnte.
»Eigentlich müsste ich dir ja raten, dir diesen Schauspieler aus dem Kopf zu schlagen, denn zukunftsträchtig sieht die Sache nicht aus.« Lena schmunzelte. »Aber wenn es dich endlich auch mal erwischt hat, was ja nur alle Jubeljahre vorkommt, will ich dir nicht gleich die ersten Illusionen rauben. Kannst du nicht unauffällig rausfinden, wann wieder ein Interview mit ihm ansteht? Sprich doch mal mit dieser Mimi oder mit Tim, die scheinen ja sehr nett zu sein.«
Es war wirklich süß zu sehen, wie Lena sich für mich freute und sogar bereit war, meine Spinnerei mitzumachen – und das bei einer Frau, die die Vernunft für sich gepachtet hatte. Wenn es in Diskussionen etwa darum ging, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, gab sie so aufmunternd rationale Standpunkte von sich wie: »Was soll denn da weitergehen? Du zerfällst zu Staub. Dein Gehirn schüttet während des Sterbevorgangs Endorphine aus, daher kommt auch das
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