Flurfunk (German Edition)
zugeben, dass sie die Serie so gut kannte. Als es ihr dann angeblich »dämmerte«, war sie gar nicht mehr zu halten.
»So was gibt’s wirklich? Wie kann man sich derart zum Deppen machen? Wie peinlich!«
Bis vor kurzem hätte ich Lena vollkommen Recht gegeben, aber das war, bevor ich Justus kannte. Seither fand ich es im Bereich des Möglichen, dass man nicht mehr Herr seiner Gefühle sein konnte. Innerlich betete ich, dass es bei mir nie so weit kommen möge. Aber Justus hatte etwas Soghaftes an sich, dem man sich nur schwer entziehen konnte. Und Eves Worte waren nicht spurlos an mir vorübergezogen. Einige Sätze spukten mir noch im Kopf herum.
Nachdenklich rührte ich in meiner Milchschale, aus der ich meinen Kaffee trank. »Glaubst du, er hat sich wirklich geändert? Und wenn ja, warum? Was sieht er denn in mir, was ihn anders sein lässt? Und ist das gut und vor allem von Dauer?«
Lena überlegte kurz, bevor sie antwortete: »Du weißt, ich halte nichts davon, anderen Honig um den Mund zu schmieren. Ich kann mir schon gut vorstellen, dass Justus mal das war, was man einen schlimmen Finger nennt. Aber wahrscheinlich hat es ihm schon länger nichts mehr gegeben, und er hat sich nach einer Beziehung mit Gefühl gesehnt. Es ist immer eine Frage des Timings, du bist einfach zur passenden Zeit aufgetaucht, und er ist jetzt eben offen für mehr. Außerdem hast du nichts Promigeiles an dir, stattdessen umweht dich eine lichte Aura. Man fühlt sich auf Anhieb mit dir wohl, mal abgesehen davon, dass du umwerfend aussiehst. Ob diese Entwicklung bei Justus anhält oder es nur eine Phase ist, kann ich nicht sagen. Aber das weiß man ja nie! Aber für den Augenblick musst du dir alles andere als Sorgen machen, und auf den Augenblick kommt es ja an!«
So philosophische Gespräche auf nüchternen Magen waren dann doch etwas viel.
siebzehn Als ich im Sender ankam, ging es dort bereits hoch her. Der 10-jährige TV-plus-Award stand bevor, was ein Aufgebot an allem, was das internationale und nationale Showgeschäft zu bieten hatte, bedeutete. Natürlich erforderte das eine enorme Koordination und Vorbereitung, die Show wurde schließlich live gesendet, und alles musste zum Sendetermin von vorn bis hinten stehen: Talentbuchung, Redaktion, Produktion, Presse und Marketing arbeiteten Hand in Hand, um die Show zu stemmen. Mein Auftrag war, bei den Proben und sämtlichen Meetings Protokoll zu führen. Kein besonders schwieriger Job, aber spannend, weil man in alles mit einbezogen wurde. So bekam ich mit, wie sich die Jury zusammensetzte, wie das Wahlverfahren funktionierte, wie viele Kameras und verschiedene Kulissen benötigt wurden, wo und wie die Gäste und ihre Entourage verköstigt wurden, welche Sicherheitsvorkehrungen nötig waren, wo die Journalisten und Fotografen Zutritt hatten, wer eine Einladung bekam und wer nicht. Die Nominierungen wurden immer schon einige Monate vorher bekannt gegeben, damit die Zuschauer die Möglichkeit hatten, in den verschiedenen Kategorien, die sich von bester Schauspieler/Sänger bis hin zu Newcomer und Lebensaward erstreckten, abzustimmen.
Wenn ich bisher gedacht hatte, es ginge beim Fernsehen lebhaft und schwer betriebsam zu, dann konnte ich noch mal dazulernen, was in der Branche unter Stoßzeiten zu verstehen war, nämlich ein unglaubliches Arbeitspensum, das sich für viele sogar über die Wochenenden hinzog. Das Erstaunliche aber war, dass die Arbeit dennoch mehr Spaß denn je machte, auch wenn es keine wirklichen Pausen mehr gab, man nur schnell zwischendurch etwas aß und nebenher noch einige Anrufe erledigte. Die Stimmung war elektrisierend, und auch wenn zwischendurch geschrien wurde, Sätze fielen wie »Ich bin durch! Ich will und kann diesen Wahnsinn nicht mehr mitmachen«, mit Kündigungen gedroht wurde und immer wieder jemand weinend in der Ecke saß, weil etwas nicht klappte, so waren die Momente, in denen gelacht und konzentriert gearbeitet wurde, vorherrschend, zumal man tägliche Fortschritte sehen konnte. Es war noch ein langer Weg bis zur endgültigen Fassung, und einige Personen würden noch viel Wasser lassen, bis endlich klar war, welche Künstler wirklich »confirmed« waren, wer »performen« würde und wen man bekommen hatte, um einen Preis zu verleihen.
Von Felix, dem Programmleiter, hatte ich erfahren, dass der Sender versuchte, Will Taite als Überraschungsgast an den Start zu bekommen.
»Wäre doch der Hammer, oder? Den bekommst du aber nur schwer für so
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