Flurfunk (German Edition)
Sollten alle ruhig riechen, was die Stunde geschlagen hatte.
»Lotte, willst du im Bad übernachten?«
Natürlich nicht! Ich wollte der Welt zeigen, wie super ich drauf war.
Schwungvoll öffnete ich die Tür und sah in Lenas erstauntes Gesicht.
»Mann, Mann, Mann! Das erinnert mich stark ans Matheabi!«
»Wie meinst du das?«
»Na, weißt du nicht mehr, als diese Katrin Hust im Jahr vor uns auf der Kippe stand und mit transparenter Bluse zur mündlichen Matheprüfung erschienen ist? Und die Lehrer zu uns im Jahr darauf gesagt haben, wir sollten bitte nicht so gekleidet kommen, dass man gleich sieht, wie viele Punkte wir brauchen?«
Natürlich erinnerte ich mich daran!
»Ich weiß, worauf du hinauswillst, Lena, aber Katrin Hust hat mit ihrer durchsichtigen Bluse immerhin das Abi geschafft und Geschichte geschrieben, und Letzteres werde ich heute Abend auch.«
Lena sah noch mal an mir hoch und runter. »Daran hege ich keinen Zweifel! Sag mal, trägst du künstliche Wimpern?«
»Klar, sonst kommt der Vamp Look nur halb so gut rüber!«
neunzehn Mein Handy hatte ich vorsorglich zu Hause gelassen. Ich war für niemanden, vor allem für Justus nicht erreichbar! Im Kino entschieden wir uns für eine Komödie, sogar ohne dass Lena den Aufstand probte. Danach ging es dann erst richtig los. Wir zogen von Club zu Club, tranken, flirteten und kicherten um die Wette.
Als ich auf der Tanzfläche eine der künstlichen Wimpern verlor, die ein freundlicher Typ leicht verstört vom Boden auflas und mir reichte, hinderte mich das nicht daran, weiterzutanzen. Es gab keine Nummer, auf die wir uns nicht bewegen konnten, selbst als wir dicht waren, im Notfall stützten Lena und ich uns gegenseitig.
Die Jungs umschwirrten uns den ganzen Abend wie die Motten, was mich nicht wunderte, mit meinem Outfit hatte ich es schließlich darauf angelegt, und Lenas exotischer Style fiel sowieso auf. Dass wir eine ganz schlechte Figur abgaben, war mir sogar noch in betrunkenem Zustand klar, selbst bei meiner Examensfeier war ich nicht so drauf gewesen und das, obwohl ich Bromazepan, einen Angstlöser, für die mündliche Prüfung geschluckt hatte und der in Verbindung mit Alkohol laut Beipackzettel eine ganz verheerende Wirkung haben konnte: »hemmungslos«, »sexuell erhöhte Aktivität«.
Wir wechselten ins Jaguar , und dort ging ich erst einmal schnell auf die Toilette. Ich warf einen Blick in den Spiegel und erschrak, das Make-up war zwar nur leicht verwischt, aber die Haare standen völlig zerzaust in alle Richtungen. Ich versuchte zu retten, was zu retten war, und schwang mich wieder auf die Tanzfläche, wo Lena bereits ihre Bahnen zog und viel Platz geschaffen hatte.
Nach kurzer Zeit tanzte mich ein Typ an, der ganz sympathisch aussah – ob gekonnt oder nicht, vermochte ich nicht mehr zu beurteilen.
»Magst du was trinken?«
Ich nickte und folgte ihm zur Bar. Er bestellte, ohne mich zu fragen, zwei braune Tequila und versuchte, mich zu überreden, den Rohrzucker jeweils vom Handrücken des anderen abzulecken!
Wir alberten herum, und er bestellte heiter weiter.
Als er zutraulich wurde, schlug ich vor, wieder auf die Tanzfläche zu gehen, wo Lena ihren Kopf auf die Schulter eines bulligen Kerls gelegt hatte und in Stehbluestempo zu schnellem R’n’B tanzte. Mein Stil litt auch schon beachtlich, sodass ich anfangs nicht bemerkte, dass der Tequila-Mann, dessen Namen ich noch gar nicht kannte, mich unsittlich von hinten antanzte. Gerade wollte ich mich, wenn auch nicht sehr geschickt und temporeich, seiner entledigen, als ein Raunen durch die Menge ging und vor mir ein junges Mädel auftauchte, das bestimmt noch gar nicht in diesen Club durfte.
Auf den zweiten Blick sah ich, dass sie doch schon reindurfte, sie war nämlich nicht fünfzehn, sondern Annabelle Leiniger, Justus’ Filmpartnerin, die sich sichtlich freute, mich in diesem Zustand anzutreffen.
»Charlotte, was machst du denn hier? Wo ist denn Justus? Oder hast du eine neue Begleitung?«
Hallo? Das waren gleich drei Fragen auf einmal! Nicht so schnell, junge Dame.
Ich riss mich zusammen, so gut es ging.
»Ich bin mit Lena hier. Wir machen einen Mädelsabend, deshalb auch kein Justus und, nein, ich habe keine neue Begleitung, aber wenn dir der junge Herr gefällt, mach ich euch gern bekannt. Ich muss nur noch fragen, wie er heißt.«
Warum kam mir Lena nicht zu Hilfe? Mit einem Seitenblick sah ich, dass sie immer noch an der Schulter des Typen lag, inzwischen sah es
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