Flurfunk (German Edition)
so aus, als ob sie schlief und er sie langsam über die Tanzfläche schob.
»Und was machst du hier, Annabelle?«, stellte ich die Gegenfrage.
»Ich bin noch mit ein paar Jungs von der Crew hier. Wir hatten ja schon früh Drehschluss heute!«
Dass sie mit Jungs da war, hätte sie wahrlich nicht betonen müssen, und dass früh Drehschluss gewesen war, noch weniger!
»Na dann noch viel Spaß, wir gehen jetzt weiter!«, beendete ich die schmachvolle Situation und schob Lena, die auf der geliehenen Schulter schon fast Spuckefäden zog, zum Ausgang.
Als wir im Taxi saßen und Lena wieder einigermaßen munter war, erzählte ich ihr von Annabelles Auftritt.
»Was macht dieses schlechte Vorbild für jedes junge Mädel eigentlich im Jaguar , wenn wir feiern wollen? Kann die ihre lechzenden Verehrer nicht woanders um sich scharen?«, regte sich Lena auf. Sie war einfach die Beste und wusste immer genau das Richtige zu sagen.
»Finde ich auch. Aber weißt du, was noch schlimmer ist, Lenchen? Sie sagte, sie hätten heute früh Drehschluss gehabt, das heißt, Justus hat frei und sich trotzdem nicht gemeldet! Warum ist er so unberechenbar? Was hat er wohl gemacht? Vielleicht bei Was für Zeiten ! vorbeigeschaut?«
Lena legte ihren Kopf auf meine Schulter.
»Lotte, warum fragst du ihn nicht einfach? Das sind doch total veraltete Spielchen, die du da veranstaltest. Prinzessin Lotte wartet, bis der Prinz anruft, und macht ihr gesamtes Glück davon abhängig, ob er sich meldet oder nicht. Vielleicht ist er verunsichert, weil du dich nie meldest.«
Das Taxi hielt an einer Ampel. »Außerdem haben wir abgemacht, heute Abend nicht über Männer zu sprechen, und das gilt auch, wenn Annabelle Schleimiger versucht hat, uns ’nen Strich durch die Rechnung zu machen.«
Lena hatte wie so oft Recht. Zu Hause fiel ich todmüde ins Bett, machte nicht einmal mehr mein Handy an, um meine Mailbox zu checken, und war sehr stolz auf mich.
zwanzig Am nächsten Morgen wachte ich, bedingt durch meinen Wochenrhythmus, leider viel zu früh und zudem viel zu verkatert auf. Ich drehte mich dem Gestank von kaltem Rauch folgend auf die andere Seite und schielte nach den Klamotten vom Vorabend, die verstreut vor dem Bett auf dem Boden lagen. Bei hellem Tageslicht erschien mir das Outfit doch etwas gewagt, vor allem wenn ich mir noch mein Vamp-Make-up dazu vorstellte. Gewöhnlich schminkte ich mich dezenter! Ich drehte mich zurück zur Wand, und plötzlich sah ich wieder Annabelle vor mir. Sicher hatte sie Justus schon brühwarm von meinem Auftritt berichtet …
Alles Hin-und-her-Gewälze nutzte nichts – ich konnte nicht mehr schlafen. Also stand ich auf, ging zum Bäcker, besorgte frische Brötchen, fuhr noch schnell zum Markt und machte Frühstück. Lena mochte Rührei mit Schnittlauch nach einer durchtanzten Nacht am liebsten und wurde bereits vom Geruch wach.
»Juhu! Was Deftiges kann ich wirklich vertragen. Presst du auch noch frischen O-Saft?«
»Klar, lass mich mal machen. Setz dich einfach!«
Schließlich fehlte nur noch Musik. Ich ging in mein Zimmer und holte meine selbst gebrannte chillige Frühstücks- CD . Mein Handy lag immer noch ausgeschaltet auf der Frisierkommode im begehbaren Kleiderschrank, wo ich es gestern, nachdem ich mein gewagtes Outfit gewählt hatte, liegen gelassen hatte.
Kurzerhand schaltete ich es ein und nahm es mit in die Küche. – Weder eine sms noch eine Nachricht von Justus.
»Hast du die Zeitung mitgebracht?«, unterbrach Lena meine Gedanken. Ich reichte ihr die taz und nahm mir selbst die Süddeutsche vor. Wir machten es uns richtig gemütlich. Draußen war ein verregneter Spätsommertag, und es war wunderbar, im Trockenen zu sitzen, meinen Kater schnurrend auf dem Sessel, und in Ruhe Zeitung zu lesen. Dazu kam ich sonst nur mal am Wochenende. Natürlich las ich wochentags viel, allein berufsbedingt, aber das war ein schnelles Info abklappern und nicht zu vergleichen mit einer ausgedehnten Frühstückslektüre.
»Was sind denn deine Pläne für das restliche Wochenende?«
Lena sah auf und überlegte kurz. »Bei Caspers Eltern ist irgendein Empfang«, sagte sie schließlich, »aber ich denke nicht, dass ich mir das schon wieder antue. Lieber mache ich mir ’nen gemütlichen Videoabend. Und du?«
»Videoabend klingt super! Wenn wir uns auf den Film einigen können …«
Nach dem Frühstück stand ich auf und begann das Geschirr in die Maschine zu räumen. Es war Samstag, ich hatte alle Zeit der Welt,
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