Flurfunk (German Edition)
wild darauf und, wie mir schien, alle um mich herum ebenfalls.
Nach der Landung stand ein Mietwagen für uns bereit. Die Sonne schien, und der Verkehr hielt sich in Grenzen.
Nach einer Stunde Fahrt parkte Justus am Hafen und zeigte auf ein kleines Fährschiff. »Da fahren wir mit. Das Auto bleibt hier.«
Unser Liebesurlaub schien uns an die Nordsee zu führen. Doch Justus machte es weiterhin spannend.
Auf der Fähre erklärte er schließlich, dass wir zu einer autofreien Insel unterwegs seien, auf der nur Pferdewagen als Transportmittel zugelassen waren. Das versprach romantisch zu werden.
Ich konnte es kaum glauben, dass ich morgens noch zu Hause durch das Küchenfenster dem Sommerregen zugeschaut hatte und jetzt im Sonnenschein die frische Seeluft einatmete und den Flug der schreienden Möwen beobachtete. Irgendwie surreal, vor allem, weil nicht irgendwer an der Reling hinter mir stand und mich umarmte, sondern Justus. Wenn er da war, schien jeder Ort der richtige zu sein. Einerseits war ich in seiner Nähe immer aufgeregt und spürte dieses Kribbeln, andererseits vertraute ich ihm, zumindest wenn er da war und ich keine Zeit hatte zu grübeln. Wenn er mich anschaute, als ob es niemanden außer mir gäbe, und mich genauso küsste, fragte ich mich, wieso ich eigentlich immer misstrauisch sein musste, wenn er sich mal nicht meldete!
Die Insel war ein Traum! Nicht besonders groß, es lebten gerade mal vierhundert Menschen auf ihr, einfach malerisch. Reetgedeckte Häuser, rote Backsteine, saftiges langes Gras, weißer Sandstrand und eine Stille, die nur durch das Schlagen der Wellen und den Wind unterbrochen wurde. Es gab einen kleinen Dorfkern, der aus einer Kneipe, einem Restaurant, einem Postamt, einem Tante-Emma-Laden und einem Friseur-Kosmetik-Nagelstudio bestand. Unser Haus befand sich auf einer Klippe, und beinahe jedes Zimmer hatte Meerblick.
Es gab ein Wohnzimmer mit Kamin und eine kleine Küche mit altem Herd und Holzregalen, alles in Blau-Weiß gehalten. Auch die breiten Holzdielen waren weiß gestrichen. Im Schlafzimmer stand ein großes weißes Holzbett, die blauen Vorhänge und eine Holzkommode vervollständigten den Meeresstil. In jedem Zimmer standen frische Wiesensträuße, sogar im Bad! Dass Justus eine unprätentiöse dänische Insel anstatt eines »angesagten« Urlaubsziels ausgesucht hatte, machte ihn nur noch sympathischer.
»Gefällt’s dir?« Er hatte mich amüsiert beobachtet, wie ich alle Türen und Schubladen aufgerissen und Freudenschreie ausgerufen hatte.
»Gefallen? Ich bleibe hier!«
Da fiel mir ein, dass ich mich noch gar nicht bei ihm bedankt hatte.
»Das ist ’ne super Überraschung! Vielen Dank! Wie hast du das bei deinem Stress um alles in der Welt bloß so perfekt organisiert bekommen?«
»Danke, aber ich habe das nicht organisiert. Der Dank gebührt Ulli. Sie meinte, ich müsste nach den letzten Tagen mal wieder richtig ausspannen. Da hat sie diesen Trip für uns organisiert und sogar bezahlt. Sie erzählte von dieser Insel und meinte, es sei genau das Richtige für uns.«
Sieh an! Ulli Becker war doch nicht so übel! Vielleicht hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt, dass ich in Justus’ Leben eine Rolle spielte.
Trotzdem musste ich mir das Lachen verkneifen. Bei der Vorstellung, wie Ulli Becker mit zusammengebissenen Zähnen die Tickets und das Haus buchen ließ und als zweite Person nicht Annabelle Leiniger eintragen konnte, sondern mich, wurde mir warm ums Herz.
Ich wollte nicht wissen, wie unwillig sie den Erholungsurlaub für Justus in einen Liebesurlaub für zwei umgebucht hatte. Aber warum eigentlich ausgerechnet auf einer ausgestorbenen dänischen Insel, wo es keine Menschen gab, die Justus hätten erkennen können? Die Inselbewohner wussten bestimmt nicht, wer er war – und selbst wenn, war es ihnen sicher gleichgültig. Auf jeden Fall waren wir hier besser untergebracht, als zu Hause am Wochenende durch einschlägige Clubs zu tingeln oder auf Partys zu erscheinen, wo jede Menge Medienvertreter anzutreffen waren. Doch seit wann zeigte sich Ulli-Giftspritze so großzügig? Mir schwante, dass wir hier einfach nur versteckt wurden.
Sei’s drum! Ich wollte Zeit mit Justus verbringen, und wenn Ulli Beckers und meine Interessen sich ausnahmsweise mal deckten und dabei ein Wochenende in dieser traumhaften Gegend heraussprang, sollte mir das recht sein.
»Komm, lass uns die Insel ansehen!«, rief ich Justus zu und begann mich umzuziehen.
»Och, ich seh
Weitere Kostenlose Bücher