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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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ihren Zeitschriften geboten bekamen wie wir Frauen in unseren – »Bleiben Sie so lange wie möglich mysteriös und geheimnisvoll für Ihren Partner« oder »Nur Langweiler packen aus!«.
    Auf alle Fälle schien er eine glückliche Kindheit erlebt zu haben, denn er erzählte aus dieser Zeit sogar von allein den ein oder anderen Schwank. Seine Pubertät hingegen, überschattet von der Scheidung seiner Eltern, musste ihn traumatisiert haben.
    »Charlotte, lass gut sein. Ich möchte nicht an diese Zeit erinnert werden. Das Jetzt zählt. Ich lebe nicht in der Vergangenheit!« Sprach’s und wechselte das Thema. Ich hatte schon viele Scheidungskinder erlebt, aber bei Justus’ Eltern musste sie besonders übel abgelaufen sein, anders war sein Verhalten nicht zu erklären.
    Mir wurde immer klarer, dass man für eine Beziehung mit Justus vor allem eines mitbringen musste: Geduld!
    Er reagierte auf Druck und Zwang eher störrisch, man ließ ihn besser von allein kommen.
    Nach dem Essen gingen wir in den dorfeigenen Tante-Emma-Laden und kauften eine Flasche Wein.
    Gemütlich schlenderten wir an den Strand und sahen den Möven bei ihren Wasserlandungen und der Sonne beim Untergehen zu.
    Trotz der offensichtlichen Postkartenidylle fühlte ich mich wohl. Mit der Romantik war es nämlich so eine Sache bei mir! Schon oft hatte ich bei Verabredungen Reißaus genommen, wenn der Typ das kleine abc der romantischen Verführung auswendig gelernt zu haben schien und alle Kriterien, auf die Frauen abzufahren schienen, befolgt hatte: leise Musik im Hintergrund, ein aufwändig gedeckter Tisch, die obligatorischen langweiligen roten Rosen, kalt gestellter Champagner, Kerzen, originelle Komplimente wie »Dein Vater muss ein Dieb gewesen sein, er hat die Sterne gestohlen und in deine Augen gezaubert« – also alles, was schrie: Ich hab mich an alles gehalten, ein Heidengeld ausgegeben, also freu dich gefälligst, sei romantisch und zieh dich schon mal aus, ich habe dich ja quasi gekauft!
    In solchen Momenten dachte ich, ob ich vielleicht anders tickte, doch nach Rücksprache mit meinen Freundinnen, Lena ausgeschlossen, schließlich kann man jemanden, der es romantisch findet, eine gemeinsame Internetunterschriftenaktion gegen Bush zu starten, nicht repräsentativ nennen, stellte ich fest, dass viele von ihnen Würgereiz bei der Pauschalromantiktour bekamen.
    Mit Justus war es aber ganz anders. Er verhielt sich einfach natürlich und hielt sich nicht krampfhaft an leblose Etikette, und genau deshalb war alles überraschend, spontan und unglaublich romantisch mit ihm.
    »Charlotte!«
    Justus nahm meine Hand und sah mich lange an. Jetzt würde er es bestimmt sagen, ich konnte es spüren! Er hatte auf den richtigen Moment, die passende Umgebung gewartet, um es endlich zu sagen: Ich liebe dich!
    Aufgeregt lächelte ich und sah ihn erwartungsvoll an.
    »Charlotte!«, wiederholte er.
    Wieso musste er es so spannend machen?
    »Wenn ich daran denke, dass wir uns in nächster Zeit kaum sehen werden, könnte ich echt kotzen!«
    Moment mal! Was hatte er gerade gesagt? Nach »Charlotte, ich liebe dich! Lass uns jeden Moment gemeinsam verbringen!« hatte es nicht geklungen. Wieso würden wir uns kaum sehen? Hatte er etwas verbrochen und musste untertauchen? Oder nahm er als Kronzeuge an einem Zeugenschutzprogramm teil? Und überhaupt … Wie konnte er in einem Augenblick, in dem er meine Hand hielt und mir tief in die Augen schaute, das Wort »kotzen« in den Mund nehmen?
    Endlich fand ich die Worte wieder und fragte: »Äh, was soll das heißen?« Ich hoffte, dass mein Gesicht nicht das blanke Entsetzen widerspiegelte. Wollte er mich loswerden? Was war geschehen?
    »Ulli hat mir meinen Dreh- und Promoplan für die nächsten Wochen gegeben. Ich werde nur unterwegs sein und auch am Wochenende drehen oder mich auf Veranstaltungen blicken lassen müssen. Eigentlich wollte ich es dir erst morgen sagen, um das Wochenende nicht zu verderben, aber ich kann dir nichts vormachen.«
    »Von wie vielen Wochen sprechen wir denn?«
    »Mindestens drei, vielleicht aber auch vier.«
    Vier Wochen! Vier Wochen waren an sich eine lange Zeit. Für mich als frisch Verliebte, die eh in einer anderen Zeitrechnung lebte, klang es nach lebenslang.
    Bis dahin war ich eine alte Frau, und Justus mit Annabelle Leiniger verlobt!
    »Charlotte, glaube mir, wenn ich könnte, würde ich die Termine absagen. Aber das gehört leider zur Schauspielerei. Ich arbeite eben phasenweise sehr viel

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