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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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oder sieben Jahren sehen sie aus wie die Wildschweine in den tiefsten Wäldern Rußlands, abgesehen vielleicht von einer Kerbe im Ohr oder einem Ring im Rüssel. Ich wußte, daß uns kaum ein Bär oder ein Wildschwein über den Weg laufen würde; das waren romantische Träume. Aber schließlich war ja die ganze Idee, hier oben auf Jagd zu gehen, solch ein Traum. Einem lebendigen Hirsch den Todesstoß zu geben war nur eine ferne, nebulose Vorstellung, die die fünfundvierzig Meter entfernte Figur des Papphirsches auf unserem Übungsgelände als Ziel Nummer sechs in mir hervorrief, wenn ich versuchte, die mit einem intensiven Schwarz markierte Herz Lungen-Gegend zu treffen.
    »‘nen tollen Hut haben Sie da auf, Mann«, sagte Bobby zu dem Alten. Der Mann nahm den Hut ab und betrachtete ihn prüfend; es war nichts Auffallendes daran; wenn er ihn aber auf seinen Kopf setzte, hatte er den seltsamen, arroganten schiefen Sitz, wie man es nur im ländlichen Süden sieht. Er setzte den Hut wieder auf, genauso schief, aber diesmal nach der anderen Seite.
    »Was wissen Sie schon«, sagte er zu Bobby.
    Drew sagte: »Können Sie uns was über die Gegend hier sagen? Wenn wir zum Beispiel flußabwärts paddeln wollen, nach Aintry, ist das zu schaffen?«
    Der Mann wandte sich so abrupt und entschieden von Bobby ab, daß ich unwillkürlich zu Bobby hinübersah, ob er überhaupt noch da war. Bobby lächelte auf eine Art, wie man manchmal lächelt, ehe man irgendeine Gemeinheit sagt.
    »Na ja«, sagte der Mann. »Ziemlich felsig da unten ‘ne Strecke. Wenn’s geregnet hat, steht das Wasser hoch, aber über die Ufer tritt es nicht, nur hier und da mal. Daß das Tal überschwemmt wird, da besteht keine Gefahr. Und wenn schon, was gibt’s da schon. Ich bin noch nicht weitergekommen als bis Walkers Point, ungefähr zwanzig Kilometer von hier, da, wo’s felsig wird. Bei Trockenheit sieht man von da oben den Fluß gar nicht mehr; man muß sich schon weit über die Felsen beugen, wenn man ihn überhaupt sehen will. Und weiter flußabwärts soll’s noch ‘ne große Schlucht geben, aber da bin ich noch nie gewesen.«
    »Glauben Sie denn, daß wir den Fluß runterfahren können?« fragte Drew.
    »Womit?«
    »Mit den beiden Kanus hier.«
    »Na, ich tät’s nicht gern«, sagte der Alte und richtete sich bei diesen Worten auf. »Wenn’s regnet, haben Sie bestimmt Ärger. Dann klettert das Wasser im Nu die Felsen hoch.«
    »Ach was«, sagte Lewis. »Warum soll’s denn regnen? Sieh mal da rüber.«
    Ich sah hinüber; ein flimmernder, klarer, wolkenloser Himmel. Wenn es so blieb, war alles in Ordnung.
    »Wenn’s regnet, werden wir schon ein trockenes Plätzchen finden«, sagte Lewis. »Das habe ich noch immer geschafft.«
    »Na, in der Schlucht werden Sie damit nicht viel Glück haben.«
    »Das lassen Sie mal unsere Sorge sein.«
    »Schon gut«, sagte der alte Mann. »Ich hab Ihnen ja bloß meine Meinung gesagt.«
    Drew und Bobby drehten sich um und gingen wieder zum Oldsmobile, und der Texaco-Mann ging neben Drew her.
    Ich hörte, wie er fragte: »Wem gehört denn die Gitarre da drin?« Dann hüpfte er plötzlich, wie ein Hund auf den Hinterbeinen, zur Tankstelle zurück.
    »Lonnie«, rief er. »Komm doch mal raus da!«
    Er kam zurück, und hinter ihm her trottete ein Junge, ein Albino, mit roten Augen wie ein weißes Kaninchen; eins davon schielte wild. Es war das Auge, mit dem er uns anblickte, während sein Gesicht in eine andere Richtung gewandt war. Das gesunde, gerade blickende Auge war auf etwas nicht Vorhandenes im Staub der Straße gerichtet.
    »Hol dein Banjo«, sagte der alte Mann. Dann zu Drew: »Spielen Sie uns ‘n bißchen was vor.«
    Drew grinste, ließ das Rückfenster vom Kombi herunter, holte die große, schon etwas ramponierte Gitarre heraus und steckte sich die Zupfer auf die Finger. Er kam wieder zur Kühlerhaube des Olds, schwang sich hinauf und zog das eine Bein etwas hoch, damit er die Gitarre darauf stützen konnte. Eine Minute lang stimmte er sie, und dann kam Lonnie zurück mit einem fünfsaitigen Banjo, dessen Stimmboden aus Lumpen und Gummibändern bestand.
    »Lonnie kann nichts, aber Banjo spielen, das kann er«, sagte der Alte. »Nie zur Schule gegangen; immer nur im Hof herumgesessen und mit ‘m Stock auf ‘ner Blechbüchse rumgetrommelt.«
    »Was wollen wir spielen, Lonnie?« fragte Drew. Seine Brillengläser blitzten vor Freude.
    Lonnie stand da mit seinem Banjo, und seine Augen blickten uns nun beide

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