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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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ließ sich noch kein Ende absehen. Bobbys Kopf war ihm auf die Brust gesunken; ich hoffte nur, daß er sich im Boot halten konnte und nicht ins Wasser fiel und damit das Boot zum Kentern brachte. Wenn wir jetzt im tiefen Wasser oder gar in einer Stromschnelle kenterten, würde es äußerst schwierig sein, wieder ins Kanu zu kommen, und Lewis wieder hineinzuziehen würde uns nie gelingen. Ich hatte Drews Schwimmweste über meine eigene gezogen. Mir war zwar furchtbar heiß, aber die andere Weste reichte mir bis an den Hals und schützte meinen Nacken so vor der Sonne, und ich war froh darüber. Meine Gedanken umtanzten minutenlang wie Mücken die Schwimmweste, die die lange taumelnde Reise durch all die Stromschnellen gemacht hatte, auf der sie Drew vor dem Ertrinken bewahren sollte, als er vermutlich schon auf andere Weise gestorben war. Ich spürte, wie meine Lippen in der Sonne anschwollen. Langsam war ich am Rande meiner Kräfte angelangt, aber ich wußte nicht genau, wo diese Grenze lag oder wo wir uns auf dem Fluß befinden würden, wenn ich sie erreichte, und was ich tun würde, wenn ich sie erreichte. Konnte ich mir selbst oder gar Bobby überhaupt noch irgend etwas Ermutigendes sagen?
    »Bobby«, sagte ich plötzlich, »durchhalten. Wenn wir es noch fünfzehn Kilometer schaffen, sind wir endgültig raus. Das weiß ich. Wir haben schon eine verdammt lange Strecke hinter uns, und es kann nicht mehr lange dauern.«
    Er versuchte zu nicken.
    »Paß auf, daß du das Boot nicht zum Kentern bringst, Bobby. Und wenn du etwas siehst, was ich nicht sehen kann, sag’s mir. Wenn wir noch mal in eine Stromschnelle kommen sollten, dann mach mich auf die Felsen aufmerksam. Wenn du das nicht schaffst, streck dich neben Lewis aus und bete, aber hilf um Gottes willen, daß wir das Gleichgewicht halten.«
    Das Rauschen des Flusses hatte einen neuen, tiefen Ton angenommen, einen schon vertrauten, den ich mit Schrecken wiedererkannte.
    »Gott«, sagte ich. »Tu etwas für uns.«
    Wir fuhren darauf zu, aber als wir um die nächste Biegung kamen, war nichts zu sehen, nur eine weitere Biegung ungefähr einen halben Kilometer voraus. Das Geräusch kam von dorther.
    »Bobby, ich glaube, ich höre wieder Stromschnellen. Ich bin ganz sicher. Vielleicht können wir aussteigen und sie mit dem Kanu durchwaten, wir werden es schon scharfen. Wenn nicht, können wir nur das Beste hoffen!«
    Wir fuhren weiter, und unsere Geschwindigkeit nahm zu, und das Geräusch wurde immer lauter – wie ein Radio, das man auf volle Lautstärke dreht – und brachte uns den alten Schrecken zurück, aber auch die alte Erregung, die Erregung, die Lewis uns immer geschildert hatte. Ich fühlte sie trotz aller Müdigkeit. Wir kamen in die nächste Biegung, und wenn die Stromschnelle in der Biegung war oder unmittelbar dahinter, in Sichtweite, würde sie bestimmt nicht so gefährlich sein wie die meisten von denen, die wir schon hinter uns hatten. Das wußte ich. Ich erkannte es an dem Geräusch. Aber hinter der Biegung wurden wir immer schneller, ohne Stromschnelle oder Wasserfall; es gab kein weißes Wasser, und es war auch keines in Sicht. Und da wußte ich, daß es schlimm werden würde. Wahrscheinlich war es sogar das Geräusch eines Wasserfalls, und noch einmal machte ich mich auf den Tod gefaßt. Ganz unvermittelt schwoll das Geräusch an; schäumendes Kochen war darin, heißere Verzweiflung. Wir folgten einer neuen Biegung. Links vor uns war kein Land mehr zu sehen, und dann sah ich hinab auf eine Reihe steil abfallender Stromschnellen, steiler als alle, die wir bisher durchfahren hatten, und länger. Sie mündeten alle in einem engen Trichter, der von zwei riesigen Felsbrocken gebildet wurde. Zwischen ihnen stand eine Wand aus weißem Gischt. Auf ungefähr fünfzig Meter vor uns war das Wasser gläsern und strömte über eine wie künstlich angelegt wirkende Reihe steiler kleiner Kaskaden dahin, wurde heller, schneller, und nahm schließlich eine noch hellere weißlichgrüne Farbe an. Dann schlug es einen scharfen Haken nach links und schoß zwischen die großen Felsen, wo es meinem Blick entschwand, als würde dort der Fluß vom Nebel verschluckt. Vielleicht hätten wir es noch bis zum Ufer geschafft, aber ich hatte nicht mehr die Kraft dazu. Die Strömung hatte uns gepackt: es gab kein Halten.
    »Wir können nicht aussteigen«, brüllte ich. »Duck dich so tief wie möglich ins Boot!«
    Er blickte nicht zurück, sondern rutschte etwas nach hinten und

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