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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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also wiederhole die Geschichte!«
    Er tat es, und er machte keinen Fehler. Ich war froh, ich fühlte mich allmählich sicherer, denn ich hatte etwas Angst davor, wieder zu den Menschen und ihren Fragen zurückzukehren, ich hatte mich die ganze Zeit davor gefürchtet, ohne mir dessen bewußt zu sein. Bleischwere zog an meinem Körper, aber ich fühlte mich erleichtert, wie schon seit Stunden nicht mehr, so daß ich noch eine Weile durchhalten konnte. Ich ließ uns immer mehr treiben, paddelte nur so viel, um die Bootsnase gut in der Strömung zu halten. Beide Ufer waren bewaldet, aber es war nicht mehr das wilde Dickicht der Schlucht und auch nicht die düstere Buschwildnis wie davor. Wir waren nicht mehr weit von Menschen entfernt. Nach jeder Flußbiegung, die wir hinter uns ließen, erwartete ich, Spuren menschlichen Lebens zu sehen. Und da waren sie auch schon. Eine Kuh lag am Rand des Wassers unter einem Baum. Sie drehte uns den Kopf zu und stierte uns über den Fluß hinweg an. Wir trieben an ihr vorbei.
    »Bobby, hier muß eine Farm sein«, sagte ich. »Wir sind da. Wir können jederzeit anlegen.«
    Aber ich wollte nicht noch lange über Felder und Wiesen marschieren und nach einem Farmhaus suchen. Ich beschloß, noch ein Stück flußabwärts zu fahren, bis wir eine Brücke oder neben dem Fluß eine Straße sehen würden. Mehr und mehr Kühe, schwarz und weiß geflecktes Leben. Sie lagen kauend am Ufer und standen am Fluß, aus dem sie tranken. Von Zeit zu Zeit hoben sie mit schwerfälligem Schwung die gehörnten Köpfe aus dem Fluß, stumpf, massig, träge. Noch eine Biegung, und wir würden am Ziel sein. Aber wir hatten noch acht oder zehn Flußbiegungen hinter uns zu bringen, eine sah aus wie die andere. Ungefähr eine Stunde später – nach der Hitze und dem Stand der Sonne zu urteilen, mochte es Mittag oder früher Nachmittag sein – kamen wir abermals in eine Flußbiegung, aber über diese spannte sich eine Holzbrücke, die von einem Stahlgerüst getragen wurde. Gleich dahinter mündete ein Abzugskanal in den Fluß; dort standen ein Mann und ein Junge und angelten.
    Mühsam brachten wir das Kanu quer über den Fluß ans Ufer. Als wir gegen die Böschung stießen, richtete sich Bobby im Boot schwankend auf und stieg aus, und auch ich stieg in das modrige Wasser und watete aus dem Fluß, mit dem ich nie wieder in Berührung kommen wollte. Wir zogen das Kanu an Land und legten unsere Schwimmwesten ab. Lewis lag hinten im Boot und hatte die Arme über der Brust gekreuzt. Die Sonne hatte ihn schrecklich zugerichtet. Seine Lippen schälten sich.
    »Lewis«, sagte ich. »Hörst du mich?«
    »Ich höre dich«, sagte er ruhig und fest, aber mit geschlossenen Augen. »Ich höre dich, und ich habe dich die ganze Zeit über gehört. Du hast alles genau richtig überlegt; wir können aus der Sache rauskommen. Mich werden sie nicht fragen, und wenn doch, dann werde ich genau das antworten, was du Bobby gesagt hast. Du machst es genau richtig, du machst es viel besser, als ich es gemacht hätte. Weiter so.«
    »Kannst du dein Bein noch fühlen?«
    »Nein, aber ich habe es seit einer langen Zeit nicht mehr bewegt und nicht mehr berührt und auch nicht mehr daran gedacht. Dahinten habe ich immer gehofft, es schliefe mir ein, und jetzt kann ich es nicht mehr wach kriegen. Macht nichts. Ich bin okay.«
    »Ich werde jemanden holen«, sagte ich. »Kannst du es so lange aushalten?«
    »Klar«, sagte er. »Mein Gott, die Fälle dahinten müssen sehr schlimm gewesen sein.«
    »Das waren sie. Wir hätten es leichter geschafft, wenn du dabeigewesen wärest, alter Junge.«
    »Ich war dabei«, sagte er.
    »Du hättest das Wasser zwischen den beiden Felsen sehen sollen!«
    »Ich weiß nicht«, sagte er und wurde wieder schwächer. »Ich habe es auf andere Weise erlebt. Ich fühlte es in meinem Bein, und ich kann dir sagen, jetzt weiß ich eine Menge, wovon ich vorher keine Ahnung hatte.«
    Seinen Mund umspielte ein Lächeln. Er versuchte den Kopf zu heben, sank aber zurück in das Erbrochene.
    »Bist du ganz sicher wegen Drew?« fragte er. »Können sie ihn bestimmt nicht finden?«
    »Sie werden ihn nicht finden«, sagte ich. »Dafür habe ich gesorgt.«
    »Das war’s dann also«, sagte er. »Geh und hol jemanden, irgendwen. Ich will raus aus dieser verdammen Bratröhre, ich will raus aus diesem beschissenen Blechsarg.«
    »Bleib liegen. Wir werden bald zu Haus sein. Bleib ruhig liegen, und mach dir keine Sorgen.«
    Ich sagte

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