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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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hielt sich an beiden Bootswänden fest, die Kniekehlen über dem Vordersitz. Unser Schwerpunkt lag nun so tief wie möglich, obgleich ich mich immer noch etwas nach vorn beugte, denn wenn ich noch tiefer gelegen hätte, hätte ich das Kanu nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Wir sausten das Wasser hinunter – wir fuhren wie ein Faden ins Nadelöhr. Das tosende Geräusch schlug uns entgegen, dann waren wir mittendrin und schlugen auf die Stromschnellen vor der ersten Kaskadenstufe auf. Die Bootsnase kippte nach unten, unter mir schrammte das Kanu, und dann ging es die nächste, etwas niedrigere Stufe hinunter. Ein harter Stoß fuhr mir durchs Kreuz, hätte mich fast aus dem Kanu geschleudert und es zum Kentern gebracht. Aber die Geschwindigkeit richtete uns wieder auf. Ich raffte alle Kraft zusammen und stemmte das Paddel rechts ins Wasser, um uns in der Strömung zu halten. Wir flogen über zwei weitere Stufen. Ich spürte die Stöße bis ins Gehirn. Inmitten des Getöses hörte ich so etwas wie einen kurzen lauten Schrei von irgendwoher und dachte, Lewis habe vor Schmerz aufgeschrien. Dann waren wir wieder in der glatt dahinrauschenden Strömung. In den Felsen hatten wir etwas an Geschwindigkeit verloren, wurden aber sofort wieder schneller und schneller und jagten jetzt auf das dunkle, sprühende Weiß des Trichters zu. Ich tauchte das Paddel hart ein, versuchte dann, es auf der anderen Seite gegen den Strom zu stemmen, sah jedoch, daß es sinnlos war, und tauchte es auf der rechten Seite so kräftig ich konnte ein, und es gelang mir, den Bug auszurichten. Wie ein Pfeil schossen wir in den Schlund. Eine Sekunde lang sah ich nichts mehr, und mir war, als stände das Boot still. Gischt schlug mir erstickend in den Mund, und von unten her versetzte es dem Kahn kurze heftige Stöße. Da ich nichts mehr sah, erstarb das Gefühl für Bewegung. Mir war, als befände ich mich in einem seltsamen eiskalten Raum oder in einer mit kaltem Dampf gefüllten bebenden Höhle. Bevor ich nur denken konnte, war ich bis auf die Haut durchnäßt. Die Hitze der Sonne auf meinen Schultern, die ich eben noch gespürt hatte, wich eisiger Kälte. Wieder holte ich mit dem Paddel auf der rechten Seite kräftig aus. Das tat ich instinktiv, weil ich es dort zuletzt eingetaucht hatte. Und da es vorhin richtig gewesen war, mochte es auch jetzt richtig sein. Ich war sicher, daß wir uns möglichst links halten mußten. Rechts schien der Tod zu lauern, und wenn es mir nicht gelang, uns davon fernzuhalten, würden wir uns quer zur Strömung legen, und der ganze Fluß und all die Berge, aus denen er kam, würden endlos, Tonne um Tonne, in das Kanu stürzen. Wieder tauchte ich das Paddel ein, auch wenn ich nicht hätte sagen können, wozu das gut sein sollte. Etwas riß an dem Paddel, ich zog es schnell heraus und tauchte es wieder ein, wieder und wieder. Vor uns machte der Fluß einen blitzenden Sprung, und wir schnellten vorwärts, als hätte man uns von einem Katapult in die Luft geschossen. Wir hatten eine Geschwindigkeit angenommen, wie ich sie nur von motorisierten Fahrzeugen her kannte. Das Paddel drohte unter der Gewalt des Wassers zu brechen. Es fühlte sich an, als hätte ich es in eine übernatürliche Energiequelle getaucht. Es war, als führen wir auf einem Luftstrom dahin. Die Felsen wirbelten um und unter uns vorbei, dann Sand, dann wieder Felsen, und alle Farben verschwammen ineinander, als wir hindurchrasten. Ich wurde fast von meinem Sitz gerissen. Nichts Vergleichbares würde mir je widerfahren. Es war die Untötbarkeit: der Triumph einer Wirklichkeit gewordenen Illusion. Ich blickte nach vorn, um zu sehen, was jetzt auf uns zukam.
    »Durchhalten, Bobby«, schrie ich. »Wir schaffen es.«
    Vor uns lag eine schräge Felsflanke, über die das Wasser mit einer langen, wie gemeißelten Zunge hinwegleckte, um sich dann zu brechen und zwischen Felszähnen hindurchzuschießen, auf einen Wall von Steinen zu, die aussahen, als sei das Wasser rechts und links von ihnen flach. Ich steuerte auf den Felsen zu, um ihn mit einem einzigen Satz hinter uns zu bringen. Es war, als führen wir, den Bug hoch vor uns, einen steilen Abhang hinauf, von einer unsichtbaren Kraft hinter uns angetrieben. Wir verloren jede Schwere. Unaufhaltsam flogen wir über den Felsgrat hinweg. Ich schloß die Augen, und Lewis und ich schrien auf. Meine Stimme mischte sich in sein tierhaftes Gebrüll, ich schrie mir die Lungen aus dem Leib, während wir eine Sekunde lang

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