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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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jedenfalls nicht finden, und ich kann mir nur vorstellen, daß er ertrunken ist. Ich will es natürlich nicht hoffen, aber ich fürchte, es ist so. Es muß wohl so sein.«
    Während ich sprach, sah ich ihm in die Augen, was überraschend leicht war: sie waren scharf, aber sympathisch. Ich absolvierte einen Teil der Geschichte, die Bobby und ich auf dem Fluß einstudiert hatten, und bemühte mich dabei, alles so vor Augen zu haben, als wäre es tatsächlich geschehen. Ich sah, wie wir nach Drew suchten, obwohl wir es gar nicht getan hatten. Ich sah, wie sich das alles in der Nähe des gelben Baums abspielte, und während ich sprach, spielte es sich für mich tatsächlich dort ab. Ich konnte selbst kaum glauben, daß sich das alles gar nicht wirklich zugetragen hatte. Als ich sah, wie er meinen Bericht aufnahm, wurde er Wirklichkeit, glaubwürdige Wirklichkeit, Tatsache, Geschichte.
    »Okay«, sagte er. »Wir müssen den Fluß absuchen. Können Sie uns zeigen, wo es ungefähr war?«
    »Ich glaube schon«, sagte ich, da ich nicht zu sicher scheinen wollte, aber doch ziemlich sicher. »Ich weiß nicht, ob es eine Straße dorthin gibt, aber ich glaube, ich würde die Stelle wiedererkennen, wenn ich sie sehe. Allerdings haben wir einen Verletzten. Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen.«
    »Okay«, sagte er zögernd, unwillig darüber, daß er die Sache an den Arzt abgeben mußte. »Wir werden Sie später im Krankenhaus aufsuchen und Ihnen noch einige Fragen stellen.«
    »Gut«, sagte ich und kroch zurück in den Krankenwagen, neben Lewis. Wir fuhren eine Strecke, und schließlich knirschten die Reifen, und wir hielten an. Langsam richtete ich mich auf. Wir standen auf einem Feld, und neben uns war ein langes, flaches Gebäude, das wie eine ländliche Schule aussah. Ein warmer Wind strich über das Feld. Die hintere Wagentür öffnete sich weit, und hinter den beiden Flügeln stand der Arzt.
    »Da wären wir«, sagte er. »Lassen Sie das, wir holen Ihren Freund schon alleine heraus. Gehen Sie mit Cornelius voraus.«
    Ich stützte mich wieder auf den Fahrer, und wir gingen durch einige Glastüren, eine Rampe hoch, hinein in einen endlos langen Flur. Ganz hinten sah man in Postkartengröße ein Fenster.
    »Zweite Tür rechts«, sagte der Fahrer, und wir traten ein.
    Ich sackte auf einer weißen, harten Liege zusammen. Nach ein oder zwei Minuten hörte ich, wie sie Lewis brachten, aber sie brachten ihn nicht in den Raum herein. Sie legten ihn draußen im Flur auf eine fahrbare Liege und rollten ihn dann geräuschlos weg. Ich lag da und hielt die Hand an die Wunde gepreßt.
    Der Arzt kam lautlos herein. »Nun wollen wir mal sehen, mein Freund«, sagte er. »Können Sie sich ein bißchen aufsetzen? Funktioniert der Reißverschluß noch?«
    »Ich glaube schon«, murmelte ich. Ich versuchte mich hochzusetzen und schaffte es ziemlich mühelos und zog sogar selbst den Reißverschluß herunter. Er zog mir die Tennisschuhe aus und die Überreste der Fliegerkombination. Meine Unterhose war an der Wunde festgetrocknet genau wie der Nylonfetzen, den ich darüber gebunden hatte. Der Arzt goß aus einer Flasche eine Flüssigkeit auf die Stelle, und der Fetzen und die Unterhose lockerten sich spürbar. Er warf meine Fliegerkombination in eine Ecke und begann sich meiner Wunde anzunehmen. Dort löste sich alles langsam auf. Ein Fetzen nach dem ändern weichte ab, und der Arzt warf alles auf den kahlen Fußboden. Die Wunde atmete wie ein Mund und fühlte sich jetzt nicht mehr so schlimm an, nur fremder und klaffender.
    »Mein Gott, guter Mann«, sagte er. »Wer hat denn an Ihnen rumgehackt? Das sieht ja geradezu aus, als hätte man Sie mit einer Axt bearbeitet.«
    »Wirklich?«
    Dann wurde er professioneller. »Wie haben Sie das bloß angestellt?«
    »Wir haben in den Wäldern am Fluß ein bißchen mit Pfeil und Bogen gejagt«, sagte ich. »Ich weiß, das ist illegal, aber wir haben’s trotzdem getan.«
    »Aber wie zum Teufel haben Sie es fertiggebracht, sich selbst mit einem Pfeil zu durchschießen? Das ist doch ganz unmöglich.«
    Unterdessen war er ständig mit der Beobachtung und Behandlung meiner Wunde beschäftigt. Er sprach mit ruhiger Stimme. Ebenso ruhig antwortete ich ihm.
    »Ich hatte den Bogen und die Pfeile bei mir im Boot, als wir kenterten. Ich wollte den Bogen festhalten, weil ich nachher nicht ohne Waffe im Wald sein wollte, und dabei habe ich mir die Hand aufgeschnitten.«
    Ich hob die verletzte Hand hoch, die

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