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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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aufstehen konnte, und schließlich bekam ich nicht einmal mehr den Kopf hoch. Aber in Gedanken machte ich immer noch Paddelbewegungen. Ich dachte, ich sei unfähig, mich zu rühren, aber als jemand meinen nackten Oberarm berührte, an der Stelle, wo ich den Ärmel abgeschnitten hatte, spannten sich alle meine Muskeln. Es war der Fahrer des Krankenwagens, ein Neger.
    »Ist ein Arzt mitgekommen?«
    »Wir haben einen«, sagte er. »Wir haben einen sehr guten; er ist jung und sehr gut. Aber was um Gottes willen ist Ihnen denn zugestoßen, Mann? Hat man Sie angeschossen?«
    »Der Fluß«, sagte ich. »Es ist im Fluß passiert. Aber es geht jetzt nicht um mich. Wir haben unten am Fluß bei der Brücke einen Mann, der schwer verletzt ist, und der andere mußte bei ihm bleiben. Außerdem ist einer von uns ertrunken, jedenfalls nehme ich das an, denn wir konnten ihn nicht finden.«
    »Wollen Sie uns zeigen, wo der andere Mann ist?«
    »Das will ich, wenn ich überhaupt aufstehen kann.«
    Er stützte mich, und mit seiner Hilfe erhob ich mich in meiner ganzen Schwere, bis ich in der wirbelnden Luft eines Ventilators stand. Mein verschwommener Blick fiel auf eine Reihe billiger Sonnenbrillen, die auf einer vergilbten Papptafel befestigt waren.
    »Halten Sie sich an mir fest, Mann«, sagte er.
    Er war schlank und kräftig, und ich legte den Arm um seine Schulter, aber meine Knie sackten weg, und mit ihnen alles um mich herum.
    »Sie schaffen es nicht«, sagte er. »Setzen Sie sich lieber wieder hin.«
    »Ich schaffe es schon«, sagte ich, und die Sonnenbrillen auf der gelben Papptafel wurden wieder klar vor meinen Augen.
    Ich sagte dem Burschen vor der Tür, daß er der Polizeistreife sagen sollte, wohin wir fuhren, und ich ging hinaus in die Sonne, wo der kleine weiße Krankenwagen wartete. Der Arzt saß vorn und machte Notizen. Mit einer schnellen Bewegung sah er hoch und stieg aus. Er öffnete die hintere Wagentür.
    »Bring ihn hierher, er soll sich hinlegen.«
    Ich kroch auf die Bahre und drehte mich auf den Rücken. Es fiel mir schwer, aber ich wollte den Fahrer nicht bemühen. Er schien mir nicht nur wohlgesonnen, er schien überhaupt ein netter Kerl zu sein. Und so jemanden brauchte ich jetzt. Ich war zu lange auf mich selbst angewiesen gewesen. Der junge Arzt war blaß und hatte aschblondes Haar. Er hockte sich neben mich.
    »Nein, nein«, sagte ich. »Ich bin’s nicht. Ich kann warten. Wir müssen über die Brücke. Da ist ein Mann im Boot, der einen üblen Beinbruch hat. Vielleicht auch einen bösartigen Bluterguß. Wir müssen uns zuerst um ihn kümmern.«
    Wir fuhren den Highway entlang zur Brücke – sonderbar, in einem motorisierten Gefährt auf festem Boden zu fahren. Ich stieg noch einmal aus. Das wäre zwar nicht nötig gewesen, aber ich dachte, es sei besser so. Lewis lag lang ausgestreckt und schwitzend im Boot, sein Hemd zeigte dunkle Schweißflecken, den Arm hatte er über die Augen gelegt. Bobby sprach mit den beiden, die vorhin hier unten geangelt hatten. Ich wußte, daß Bobby unsere Geschichte an ihnen getestet hatte, und ich hoffte, daß er die Zeit gut genutzt hatte; sie sahen durchaus so aus, als glaubten sie ihm. Verletzten und erschöpften Männern glaubt man gern, und das war unser großer Vorteil. Der Fahrer und der Arzt hoben Lewis aus dem Boot auf eine Bahre. Das Bezirkskrankenhaus war in Aintry, gut zehn Kilometer entfernt. Wir machten uns fertig für die Abfahrt, aber als wir am Krankenwagen standen, näherte sich die Highwaypolizeistreife mit schwachem Sirenengeheul. Ein untersetzter Bursche sprang aus dem Wagen, ihm folgte ein derb aussehender Blonder. Ich war bereit.
    »Was ist hier geschehen?« fragte der blonde Beamte.
    »Wir haben einen bösen Unfall gehabt«, sagte ich und schwankte noch etwas mehr als nötig. Ich ließ es jedoch gleich wieder sein, denn übertriebene Schauspielerei konnte alles verderben. »Einer von uns ist im Fluß ertrunken, knapp fünfzehn Kilometer flußaufwärts.«
    Er sah mich an. »Ertrunken?«
    »Ja«, sagte ich.
    Ich glaubte, daß ich das zuerst hinter mich bringen mußte, genau wie die erste einer Reihe gefährlicher Stromschnellen. Hier gab es nichts als durchhalten.
    »Woher wissen Sie, daß er ertrunken ist?«
    »Wir sind in den Stromschnellen gekentert, und dann war jeder von uns auf sich selbst angewiesen. Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist. Vielleicht ist er mit dem Kopf gegen einen Felsen geschlagen. Aber ich weiß es nicht. Wir konnten ihn

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