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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Lederjacke verschwinden, sodass sie von draußen nicht mehr zu sehen war, aber Rachel sah trotzdem, dass ihre Mündung weiter auf De Villes Rücken gerichtet war. Sie lauschte fast verzweifelt in sich hinein, aber da war nichts. Diesmal ließen ihre hellseherischen Fähigkeiten sie wohl im Stich. Vielleicht sollte sie diese Erkenntnis beruhigen, hätte sie doch bedeuten können, dass sie nicht in Gefahr war, aber vielleicht war auch das genaue Gegenteil der Fall. Sie hatte niemals zuvor eine ihrer Ahnungen ignoriert und eine zweite Warnung bekommen, ganz einfach, weil es nicht nötig gewesen war.
    Noch bevor De Ville die Tür weit genug aufgeschoben hatte, um aus dem Helikopter zu steigen, konnte Rachel sehen, dass sich mindestens ein Dutzend Männer der gelandeten Maschine näherten. Die meisten trugen dunkelgrüne Polizeiuniformen oder schwarze Lederjacken, aber einige waren auch in Zivil. Die meisten waren bewaffnet und sahen nicht besonders erfreut aus. Weiter hinten bei den Wagen hatten sogar zwei oder drei Männer ganz offen auf den Helikopter angelegt und erst jetzt wurde ihr klar, wie gefährlich die Situation war. Augenscheinlich hatte De Ville in seinem Telefonat nicht angekündigt, auf welch dramatische Weise er ankommen würde. Die Nerven der Männer mussten bis zum Zerreißen angespannt sein. Ein einziger, winziger Fehler …
    Sie gestattete sich nicht, den Gedanken zu Ende zu denken, sondern riss ihren Blick mit einiger Mühe von De Ville und dem näherkommenden Beamten los und drehte sich zu dem jungen Mann auf der Sitzbank gegenüber um. Er hatte sich nicht gerührt, aber die Mündung der Waffe, die er unter der Jacke trug, deutete nun nicht mehr auf De Villes Rücken, sondern genau in ihre Richtung. Seltsamerweise vermittelte ihr der Anblick nicht das Gefühl einer Bedrohung, nicht einmal das einer Gefahr. Dabei spürte sie ganz genau, wie ernst seine Warnung gemeint gewesen war.
    »Warum tun Sie das?«, fragte sie.
    Sie bekam keine Antwort. Der Ausdruck auf dem Gesicht des jungen Mannes änderte sich nicht, aber der Schmerz, den sie in seinen Augen las, wurde tiefer.
    »Sie gehören nicht zu diesen Männern, habe ich Recht?«, fragte sie. »Ich meine: Sie sind wirklich Polizist, nicht wahr?«
    Sie rechnete eigentlich nicht mit einer Antwort, aber sie bekam sie, auch wenn sie nur aus einem angedeuteten Nicken bestand.
    »Geht es um Geld?«, wollte sie wissen. »Ich verstehe zwar nichts davon, aber ich glaube, wenn es darum geht, machen Sie einen großen Fehler. Die werden Sie kriegen. Selbst wenn wir jetzt entkommen, werden sie Sie kriegen. Kein Geld der Welt ist es wert, den Rest seines Lebens auf der Flucht zu verbringen.«
    »Seien Sie still«, antwortete er. Er hatte grob klingen wollen, aber sein Ton verunglückte. »Sie haben ja keine Ahnung.«
    »Dann erklären Sie es mir«, antwortete Rachel. »Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Ich kenne De Ville nicht, aber mit Kommissar Naubach kann man reden. Er ist ein vernünftiger Mann und …«
    »Sie sollen still sein!« Diesmal klang seine Stimme schon schärfer und sie biss sich auf die Zunge und schluckte den Rest ihres Satzes herunter. Sie glaubte immer noch nicht, dass er ihr etwas antun würde – nicht, wenn ihn die Umstände nicht dazu zwangen –, aber er war sichtlich mit den Nerven am Ende und musste unter fürchterlichem Stress stehen. Ein Zustand, in dem Menschen Fehler begingen und Dinge taten, die sie nicht tun wollten.
    »Ich verstehe nicht, warum Sie Ihr Leben wegwerfen«, sagte sie sanft. »Genau das tun Sie nämlich.«
    »Mein Leben?« Sie war nicht ganz sicher, ob der Laut, den er von sich gab, ein Lachen oder irgendetwas wie ein verunglückter leiser Schrei war. »Als ob das noch eine Rolle spielt. Bitte seien Sie jetzt ruhig. Sie können es nicht verstehen.«
    »Dann erklären Sie es mir«, wiederholte Rachel.
    Seine Antwort bestand nur aus einem traurigen Blick und Rachel gab auf. Wie schon einmal spürte sie ganz deutlich, dass dieser Junge nicht schlecht war oder aus niederen Beweggründen handelte, sondern aus einer tiefen Überzeugung. Aber welcher? Sie verstand es einfach nicht. Die Männer, die sie verfolgt hatten, waren möglicherweise Verbrecher; Kriminelle, die einen Auftrag bekommen hatten und ihn ausführten, wenn man sie dafür bezahlte, und denen ein Menschenleben immer genau so viel wert war wie die Summe, die sie dafür bekamen, dass sie es beendeten. Selbst Benedikt … sie kannte ihn nicht.

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