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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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möglicherweise«, antwortete Benedikt ungerührt, »aber De Ville nicht.« Er verhinderte mit einer entsprechenden Handbewegung, dass sie antwortete, und streckte die andere Hand nach der Tür aus, führte die Geste aber nicht zu Ende. Stattdessen sah er nach draußen und auf seinem Gesicht erschien schon wieder dieser angespannte Ausdruck, der Rachel jedes Mal weniger gefiel, wenn sie ihn sah. »Wo genau ist die Autobahn?«
    Auch Rachel blickte nach draußen. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Es war mindestens fünf Jahre her, dass sie das letzte Mal hier gewesen war, und diesen Teil des Autofriedhofs hatte sie noch niemals betreten. Sie wusste, dass das Gelände unmittelbar an die Autobahn grenzte, aber der direkte Blick auf die Böschung wurde von einer Reihe dreifach übereinander gestapelter Container versperrt. Als sie in diese Richtung sah, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken, denn sie erkannte noch etwas anderes, etwas, das sie eigentlich gar nicht so genau hatte wissen wollen: Die Rotorblätter waren mittlerweile zum Stillstand gekommen, und ihre Enden waren allerhöchstens dreißig Zentimeter von dem Containerstapel entfernt. Benedikt war entweder doch ein viel besserer Pilot, als sie bisher geglaubt hatte, oder sie hatten mehr Glück als Verstand gehabt.
    Sie beantwortete seine Frage mit einiger Verspätung, indem sie in die entsprechende Richtung wies, und fragte ihrerseits: »Worauf warten wir?«
    »Dass es aufhört zu regnen. Ich habe meinen Schirm vergessen, weißt du?« Er öffnete die Tür, sprang hinaus und fluchte lauthals, als er die Kufe verfehlte und bis weit über die Knöchel im Morast versank.
    Rachel nahm sich die Zeit für ein flüchtiges, schadenfrohes Lächeln, dann folgte sie auf der anderen Seite, allerdings sehr viel vorsichtiger als er – was nicht viel nutzte, sie sank kaum weniger tief im Schlamm ein. Schon die wenigen Schritte, die sie brauchte, um den Hubschrauber zu umkreisen und an seine Seite zu gelangen, kosteten sie große Kraft. Ihr Herz schlug schnell und heftig und sie zitterte am ganzen Leib, und das nicht nur vor Kälte.
    »Gibt es hier ein Büro oder so was?« Benedikt musste schreien, um sich über das Geräusch des Regens hinweg verständlich zu machen. Während sie unterwegs gewesen waren, war aus dem staubfeinen Nieseln wieder ein ausgewachsener Wolkenbruch geworden, ohne dass Rachel es überhaupt richtig gemerkt hatte. Sie sah nach rechts, dann nach links und deutete schließlich beinahe wahllos in die Richtung, in die die abgerundete Pilotenkanzel des Helikopters wies – ohnehin die einzige, in die sie überhaupt gehen konnten.
    Benedikt runzelte viel sagend die Stirn, enthielt sich aber jeden Kommentars und stapfte voraus. Nachdem sie die ersten Schritte zurückgelegt hatten, fiel ihnen das Gehen etwas leichter. Der Boden wurde allmählich fester. Die Schlammschicht, unter der sich festerer Untergrund verbarg, war nur wenige Zentimeter tief und der ununterbrochene Nachschub von Regen sorgte dafür, dass der Morast beinahe so flüssig wie Wasser war. Aber er war auch eiskalt. Noch bevor sie das Ende der aus aufgestapelten Autowracks und Containern gebildeten Gasse erreicht hatten, war jegliches Gefühl aus Rachels Zehen gewichen und die Kälte kroch ununterbrochen weiter in ihren Beinen hoch. Sie würden es nicht schaffen. Ganz plötzlich wurde ihr klar, dass sie nicht einmal die knapp zwei Kilometer bis nach Geissmühle bewältigen würden. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Die Batterien waren leer. Mein Gott – und sie sollte die Welt retten? Sie war nicht einmal sicher, ob sie noch die Kraft hatte, sich selbst zu retten!
    Sie wandten sich am Ende der Gasse nach links und Rachel deutete völlig überflüssigerweise auf die roh zusammengezimmerte Wellblechbaracke neben dem Tor. Benedikt stürmte los, aber nur ein paar Schritte weit, bis ihm auffiel, dass sie nicht mitkam, worauf er sein Tempo wieder etwas drosselte. Trotzdem gelang es ihr kaum, zu ihm aufzuschließen. Der Boden war hier wieder weicher und die Kälte kroch immer schneller in ihren Beinen empor. Es wäre wahrscheinlich leichter gewesen, mehr am Rand der aus Schrott gebildeten Gasse entlangzumarschieren, aber das wagte sie nicht. Die Wagenstapel waren hier nicht mehr so hoch wie dort, wo sie gelandet waren, aber auch nicht mehr so ordentlich. Hier und da hatte sich ein Autowrack aus der bizarren Mauerkrone gelöst und war in die Tiefe gestürzt, und einer der Stapel stand

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