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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kennen? Und wieso zum Teufel vertraute sie ihm? »Weil du eine romantische kleine Närrin bist«, murmelte sie im Selbstgespräch. Oder, um es auf den Punkt zu bringen, fügte sie in Gedanken hinzu, vollkommen wahnsinnig! Sie schüttelte den Gedanken ab und begann ihrerseits mit einer ziellosen Inspektion des Raumes, zu der sie deutlich länger brauchte als Benedikt zuvor, ohne zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Obwohl sie früher ziemlich oft hier gewesen war, fiel ihr jetzt zum ersten Mal auf, wie schäbig der Raum war. Es lag nicht an dem Staub, der sich im Lauf der letzten zwei Jahre wie eine flauschige graue Flickendecke über jedem Quadratzentimeter ausgebreitet hatte. Die gesamte Einrichtung war alt und in mehr oder minder schlechtem Zustand. Das Mobiliar beschränkte sich auf den Schreibtisch, eine lange Theke mit einer von Öl und Schmiere schwarz gefärbten, fünf Zentimeter dicken Holzplatte und ein grob aus Brettern unterschiedlicher Stärke zusammengezimmertes Regal an der Wand dahinter. Die Fächer waren zum größten Teil leer. Nur hier und da lagen eine vergessene Schraube, ein paar Muttern oder ein paar andere Kleinteile herum. War der Raum immer schon so schäbig gewesen? Sie drehte sich herum, lehnte sich mit dem Rücken gegen das leere Regal und versuchte die Bilder aus der Vergangenheit heraufzubeschwören, aber sie war nicht ganz sicher, ob es ihr wirklich gelang. Sie war nicht in der Stimmung und schon gar nicht in der Verfassung, über irgendetwas objektiv zu urteilen.
    Schon gar nicht über einen Verrückten, der aus dem Nichts auftaucht und dir erzählt, du wärst dazu ausersehen, die Welt vor dem Untergang zu retten!, flüsterte eine dünne Stimme irgendwo tief unter ihren Gedanken. Für einen Moment war der alte Zweifel wieder da, aber dann wurde sie zornig; wütend auf sich selbst. Die Stimme hatte Recht. Natürlich, denn es war keine göttliche Eingebung oder sonst etwas, sondern schlichtweg die Stimme ihrer Vernunft, die zum Verstummen zu bringen sie sich in den letzten Stunden so viel Mühe gegeben hatte. Sie wusste, dass sie Recht hatte, aber sie ärgerte sich trotzdem über sich selbst. Sie hatte sich entschieden, diesen Weg zu gehen, und es half weder Benedikt noch ihr – und schon gar nicht Uschi oder Tanja! –, wenn sie immer wieder versuchte sich selbst in ihrem Entschluss wankend zu machen. Es war eine ganz klare, logische Entscheidung gewesen, eingeschlossen das kalkulierte Risiko, einen Fehler zu begehen, der sie möglicherweise das Leben kosten konnte, zumindest aber ihre Existenz.
    Rachel fuhr erschrocken zusammen, als unter der Decke ein weißes Licht aufflackerte. Die Neonröhre summte dunkel und Unheil verkündend, aber dann erwachte sie mit einem deutlich hörbaren »Pling« zum Leben, und die ungewohnte Helligkeit ließ Rachel im ersten Moment die Augen zusammenkneifen.
    Als sie die Lider wieder hob, tauchte Benedikt in der Tür auf. Er grinste breit. »Sie hatten einen Elektriker bestellt?«, fragte er fröhlich.
    »Wie hast du das gemacht?«
    »Der Strom war abgestellt.« Benedikt schnippte eine Art verbogenen Metallknopf auf die Theke vor ihr, der an zwei dünnen Drahtenden befestigt war. »Gott sei Dank ist Deutschland ein Land voller ehrlicher Menschen. Die Behörden begnügen sich damit, die Hauptsicherung zu verplomben, statt das Kabel durchzuschneiden. Ich fürchte, die Heizung kriege ich leider nicht wieder in Gang.«
    »Du hast die Plombe gebrochen?« Rachel machte ein missbilligendes Gesicht. »So etwas ist illegal.«
    »Ich weiß«, grinste Benedikt. »Schreib es auf die Liste. Wenn sie mich erwischen, bringt es noch einmal zwei Tage mehr.« Und sein Grinsen wurde für einen Moment noch breiter. Offensichtlich freute er sich wie ein kleines Kind über den winzigen Erfolg. Als Rachel ihn jedoch nur irritiert ansah, wurde er schlagartig wieder ernst und machte eine Kopfbewegung in den Gang hinter sich. »Da hinten steht etwas, das man mit einigem guten Willen als Bett bezeichnen könnte«, sagte er. »Es ist nicht besonders sauber und vermutlich auch nicht besonders bequem, aber besser als nichts.«
    Rachel verstand nicht. »Ein Bett?«
    Statt irgendetwas zu erklären, drehte sich Benedikt herum und ging, und Rachel folgte ihm nach sekundenlangem Zögern. Die Tür führte in einen schmalen Gang, von dem auf jeder Seite zwei Türen abzweigten. Die Luft war hier drinnen noch schlechter als draußen im Büro und trotz der Feuchtigkeit wirbelten bei jedem

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