Flut: Roman (German Edition)
Schritt kleine, zum Husten reizende Staubwölkchen unter ihren Füßen hoch. Am Ende des Ganges befand sich eine weitere Tür, die in eine große, von hellem weißem Neonlicht erfüllte Werkstatt führte. Rachel blinzelte überrascht, als sie die drei halb zerlegten Wagen sah, die in der Werkstatt standen. Misstrauisch sah sie zu Benedikt hoch. »Du willst doch nicht etwa –«
»Den Ford kriege ich hin, schätze ich«, sagte er. »Die Batterie scheint leer zu sein, aber das ist kein Problem.«
»Das meinst du nicht ernst«, murmelte Rachel ungläubig. »Du willst doch jetzt nicht anfangen, an diesen Wagen herumzubasteln!«
»Ich kann das«, versicherte Benedikt. »Wenn irgendetwas vier Räder hat, kriege ich es zum Laufen.«
»Aber dafür haben wir keine Zeit!«, protestierte Rachel.
»Ich habe ihn mir angesehen«, beharrte Benedikt. »Die Batterie ist leer, aber das ist kein Problem. Für alles andere brauche ich eine Stunde. Allerhöchstens anderthalb. Und«, fuhr er mit leicht erhobener Stimme und eine Spur lauter fort, als sie ihn erneut unterbrechen wollte, »wir brauchen einen Wagen.«
»Wir haben keine Stunde Zeit«, sagte Rachel beinahe verzweifelt.
»Es sind zwei Kilometer bis zur Autobahn«, sagte Benedikt ruhig. »Bei diesem Wetter und in dem Zustand, in dem die Straße ist, brauchen wir zu Fuß wahrscheinlich auch eine Stunde. Davon ganz abgesehen, dass du es nicht schaffen würdest.«
»Unsinn!«, widersprach Rachel, aber Benedikt schüttelte stur den Kopf.
»Sieh dich doch an«, sagte er. »Du bist völlig am Ende.«
»Du meinst, ich halte dich auf«, sagte Rachel böse.
»Das soll kein Vorwurf sein«, gab Benedikt ruhig zurück, ohne damit direkt auf ihre Worte zu reagieren. »Du bist so etwas nicht gewohnt. Du hast schon weiter und länger durchgehalten, als die allermeisten anderen es an deiner Stelle getan hätten, glaub mir. Aber du tust uns beiden keinen Gefallen, wenn du irgendwo auf halber Strecke zusammenklappst. Du brauchst Schlaf. Geh nach nebenan und leg dich hin. Ich wecke dich, sobald ich die Kiste zum Laufen gebracht habe. Glaub mir, eine Stunde wirkt manchmal Wunder.«
Rachel hätte ihm ja gerne widersprochen, aber sie konnte es nicht; ganz einfach, weil er Recht hatte. Noch vor einem Augenblick war sie nicht einmal sicher gewesen, die wenigen Schritte vom Landeplatz bis hierher zu schaffen, und es waren mindestens zwei Kilometer bis zur Raststätte, wenn nicht mehr. Als typisches Kind einer Generation, die mit Automobilen, Hochgeschwindigkeitszügen und Überschalljets aufgewachsen war, neigte sie dazu, Entfernungen im Kilometerbereich zu unterschätzen, falls sie sie überhaupt zur Kenntnis nahm. Aber zwei Kilometer bei strömendem Regen und Wind, der sich allmählich an Orkanstärke herantastete, und auf Wegen, auf denen jeder einzelne Schritt zu einer Tortur wurde, waren eine ernst zu nehmende Distanz. Er hatte Recht, so wenig es ihr gefiel, es zuzugeben. »Und du … du glaubst, du kriegst diesen Schrotthaufen wirklich wieder flott?« Sie deutete auf den blauen Ford. Sie verstand wenig bis gar nichts von Automotoren und konnte nicht sagen, um welches Modell es sich handelte, aber selbst sie erkannte, dass es uralt war.
»Wenn ich irgendwann einmal damit anfangen kann, bestimmt.« Der sanfte Tadel in dieser Antwort entging ihr keineswegs, aber sie beschloss ihn zu ignorieren.
»Gibt es eigentlich irgendetwas, das du nicht kannst?«, fragte sie.
»Kochen«, antwortete Benedikt. »Oder was glaubst du, warum ich dich mitgenommen habe.« Obwohl er bei diesen Worten lachte, hatte sie das Gefühl, dass sie einen größeren Anteil an Wahrheit enthielten, als sie glauben wollte, und setzte das Gespräch allein aus diesem Grund nicht fort.
»Und wohin fahren wir, von hier aus?«, erkundigte sie sich.
Einige Sekunden vergingen, in denen Benedikt nicht so tat, als hätte er die Frage überhaupt gehört, aber dann sagte er, ohne sich zu ihr herumzudrehen: »Das liegt mehr an dir als an mir, oder?«
»Wieso?«
»Weil du es weißt, ich nicht«, erwiderte er. Mittlerweile hatte er sich über die offen stehende Motorhaube gebeugt und war anscheinend dabei, irgendetwas los- oder festzuschrauben. Sie konnte sehen, wie sich seine Muskeln unter dem Hemd anspannten.
»Ich –«
»Wir müssen deine Freundin finden«, unterbrach sie Benedikt. »Die Letzte auf der Liste. Du weißt das.«
Wusste sie es? Sie war nicht sicher und wie konnte sie es auch sein? Wenn es wahr war, was De
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