Flut: Roman (German Edition)
klar wurde), und sie riss die Tür wieder auf und beförderte den Söldner mit einem letzten, entschlossenen Ruck endgültig ins Freie – wobei sie ihn als Gegengewicht benutzte, um sich selbst in den Wagen zu katapultieren und hinter das Lenkrad zu gleiten.
»Fahr los!«, schrie Benedikt.
Von der Rückbank drangen wütende Kampfgeräusche an ihr Ohr und sie registrierte eine Bewegung aus dem Augenwinkel, die sie nicht genau identifizieren konnte, die aber hektisch und bedrohlich genug war, um sie wissen zu lassen, worum es sich handelte: Der Farbige hatte sich mit einer blitzschnellen Bewegung wieder aufgerichtet und wirbelte herum. Die Beifahrertür stand noch immer weit offen. Er würde nicht einmal eine Sekunde brauchen, um zurückzukommen und ihr klarzumachen, was er von dem hielt, was sie gerade getan hatte. Der Mann war unglaublich schnell.
Rachel griff mit einer Hand nach dem Lenkrad, rammte mit der anderen den Gang herein und trat das Gaspedal bis zum Boden durch. Der Motor heulte auf, aber statt den erhofften Satz zu machen, begann sich der Wagen nur auf der Stelle zu drehen, als sich die Hinterräder rasend schnell in den Morast wühlten.
»Allrad!«, brüllte Benedikt. »Der andere Hebel!«
Rachel verstand nicht wirklich, wovon er sprach, aber sie senkte ganz instinktiv den Blick und entdeckte im schwachen Schein der eingeschalteten Innenbeleuchtung einen zweiten, etwas kleineren Hebel neben der Gangschaltung. Eine blutverschmierte Hand erschien in der Tür neben ihr und dann ein hassverzerrtes Gesicht unter schlammig-schwarzem Haar und Rachel stieß den Hebel rücksichtslos nach vorne und wurde mit einem Knirschen belohnt, als wollte das gesamte Getriebe in Stücke fliegen – und einem so gewaltigen Satz, dass sie nach hinten in den Sitz gepresst wurde und um ein Haar das Lenkrad losgelassen hätte. Gesicht und Hand verschwanden aus der Öffnung neben ihr und die Tür flog mit einem Knall zu.
Verzweifelt kurbelte sie am Lenkrad, um den Wagen in der Spur zu halten, ließ das Gaspedal aber keinen Millimeter los. Der Motor heulte gequält, und irgendeiner der zahllosen Zeiger auf dem Armaturenbrett vor ihr bewegte sich rasch in den roten Bereich hinauf, was gewiss nichts Gutes zu bedeuten hatte. Von der Rückbank drangen noch immer wütende Kampfgeräusche und sie glaubte nun sogar Schüsse zu hören, aber sie war sich nicht sicher. Und sie hätte auch gar keine Zeit gehabt, sich darum zu kümmern. Sie brauchte all ihre Kraft und Konzentration, um den Wagen unter Kontrolle zu halten – oder es wenigstens zu versuchen.
Der Landrover schlingerte hin und her wie ein Schlauchboot, das unversehens in einen Wirbelsturm geraten war. Sie war so gut wie blind. Die Scheibenwischer arbeiteten zwar mit aller Kraft, aber sie hatten nicht einmal die Spur einer Chance, mit den Wassermassen fertig zu werden, die vom Himmel stürzten, und auch das Licht der starken Scheinwerfer war keine Hilfe. Irgendetwas Großes tauchte aus der Dunkelheit auf und prallte so wuchtig gegen den Kotflügel, dass eine der Lampen zerbrach und der Wagen anderthalb Meter weit im rechten Winkel davonschlitterte, ehe die schweren Reifen wieder griffen. Großer Gott, sie wusste nicht einmal, in welche Richtung sie fuhr!
Hinter ihr wurde eine Tür aufgestoßen und kaum eine Sekunde später wieder zugeworfen, und im nächsten Augenblick begann Benedikt über die Rückenlehne des Beifahrersitzes nach vorne zu klettern. Er stellte sich dabei nicht besonders geschickt an: Seine Gelenke waren mit Handschellen aneinander gefesselt und er blutete aus einer hässlichen Platzwunde über dem linken Auge, das bereits zuzuschwellen begann. Rachel hatte eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, was das Öffnen und Zuschlagen der Tür gerade zu bedeuten gehabt hatte, aber der Söldner war nicht unbedingt freiwillig ausgestiegen.
Sie warf einen hastigen Blick in den Innenspiegel. Der dritte Söldner hockte noch immer mit nach vorne gesunkenen Schultern auf der Rückbank. Jemand hatte ihn angeschnallt, so dass er nicht herunterfallen konnte, aber er schien noch immer bewusstlos zu sein.
»Keine Sorge«, sagte Benedikt, während er sich ächzend im Sitz aufrichtete. Offensichtlich hatte er ihren Blick bemerkt und richtig gedeutet. »Der wacht so schnell nicht auf.« Er verzog das Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse und versuchte das Blut wegzublinzeln, das in einem dünnen Rinnsal über seine Stirn und in sein linkes Auge lief, brachte aber
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