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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vorhin in seinen Augen gelesen hatte, waren verschwunden, aber sie hatten für etwas Platz gemacht, das ihr fast schlimmer vorkam, obwohl sie nicht einmal wusste, was es war. Sie schwieg.
    »Ich nehme an, du hast dein göttliches Zeichen bekommen.«
    Nur, dass es kein Blitz war, der ein schwarzes Kreuz in den Boden gebrannt hat, dachte Rachel schaudernd. Aber es konnte nicht so gewesen sein. Es war unmöglich. Wenn sie gerade einen Beweis für irgendetwas bekommen hatte, dann allerhöchstens dafür, dass es so etwas wie Gott nicht gab. In dem Wagen waren vier Menschen gewesen. So grausam konnte Gott nicht sein.
    »Fahr weiter«, bat sie.
    Benedikt nickte wortlos und setzte den Wagen in Bewegung.

Kapitel 9
    Der Regen begann wieder nachzulassen, während sie sich von dem aufgegebenen Schrottplatz entfernten – was ganz und gar nicht hieß, dass das Wetter wirklich besser geworden wäre. Es schüttete noch immer wie aus Kübeln und die Wolkendecke riss zwar an etlichen Stellen auf, aber die Sicht verbesserte sich nur unwesentlich. Die Nacht, die sie umgab, war jetzt grau, nicht mehr schwarz, das war alles.
    Immerhin liefen sie nun nicht mehr Gefahr, im Morast stecken zu bleiben, denn sie fuhren wieder auf einer richtigen, asphaltierten Straße – auch wenn die fünf Zentimeter tief unter Wasser stand.
    Sie fuhren gute fünf Minuten, ohne dass einer von ihnen ein Wort sprach, und schließlich hielt Rachel die Stille nicht mehr aus und schaltete das Radio ein. Der Empfang war miserabel; statt der erhofften Musik hörte sie nur lautstarkes Knistern und Rauschen und dann und wann ein schrilles an- und abschwellendes Heulen, das sie an die Funksignale außerirdischer Invasoren aus einem billigen Sciencefictionfilm des vergangenen Jahrhunderts erinnerte – seltsam, dass sie ausgerechnet auf diesen Vergleich kam
    Benedikt blickte das Radio stirnrunzelnd an, aber er enthielt sich jeden Kommentars. Trotzdem drehte Rachel weiter, bis sie einen lokalen Sender gefunden hatte, der wenigstens einigermaßen klar zu empfangen war. Aus dem Radio drangen die letzten Takte irgendeines nichts sagenden Popmusikstücks, dann begann eine Nachrichtensendung. Rachel hörte den aneinander gereihten Katastrophenmeldungen einige Augenblicke lang zu und schaltete das Radio dann wieder ab.
    »Danke«, sagte Benedikt.
    »Magst du kein Radio?«
    »Die Welt geht unter.« Benedikt hob die Schultern. »Und?«
    »Das scheint dich nicht sonderlich zu stören.«
    »Solange sie so ist, wie sie ist … ich bin nicht sicher, ob es wirklich schade darum ist.« Sie hielten an. Benedikt blickte aus konzentriert zusammengekniffenen Augen nach rechts und links und machte dann eine fragende Handbewegung. »Wohin geht es zu dieser Raststätte?«
    »Du willst doch nicht wirklich dorthin?«, murmelte Rachel ungläubig. »Nach dem, was gerade passiert ist!«
    »Niemand weiß davon«, antwortete Benedikt gelassen. »Außerdem brauchen wir einen neuen Wagen. Diese Kiste ist viel zu auffällig. Kennst du einen besseren Platz, um einen Wagen zu besorgen, als eine Raststätte?«
    »Zu stehlen, meinst du.«
    »Hast du eine bessere Idee?« Benedikt wartete ihre Antwort nicht ab, sondern fuhr in etwas schärferem Ton fort: »Wohin? Rechts oder links?«
    Rachel war im Moment nicht einmal sicher. Es war Jahre her, dass sie das letzte Mal hier gewesen war, und das graue Flackerlicht machte es fast unmöglich, sich zu orientieren. Nach einigen Sekunden – und ohne ganz sicher zu sein – deutete sie nach rechts. Benedikt wirkte wenig begeistert, hob aber nur die Schultern und fuhr in die angegebene Richtung los.
    Der Weg war nicht mehr sehr weit. Die Straße führte ein kleines Stück parallel zur Autobahn und mündete dann in eine breitere Straße, die sich in westlicher Richtung entfernte. Benedikt trat auf die Bremse und blickte konzentriert nach rechts.
    »Worauf wartest du?«, fragte Rachel.
    »Ist das der Parkplatz?« Er machte eine Kopfbewegung nach vorne. Die Autobahntrasse führte in sanftem Bogen von der Straße fort und verlor sich nach kaum hundert Metern in dem grauen Dunst, der den Tag verschlungen hatte. Die historische Windmühle, der der Rastplatz seinen Namen verdankte, ragte wie ein vierarmiger Zyklop über der Böschung auf. Rachel wusste, dass die eigentlichen Windmühlenflügel schon vor Jahrzehnten bis auf das hölzerne Gerippe entfernt und mit massiven Stahlseilen gesichert worden waren, aber das flackernde Licht und der tanzende Regen verliehen dem

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