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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Toilettenkabinen war besetzt und Rachel hatte eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, wer sich hinter der geschlossenen Tür aufhielt.
    Sie verzichtete vorsichtshalber darauf, ihm zu erklären, dass sie rein gar nichts gemacht und sie schlicht und einfach nur Glück gehabt hatten.
    »Was hast du getan?«, flüsterte sie. Ihr Herz klopfte.
    »Was schon?«, antwortete Benedikt ruhig. »Ich habe ihr das Genick gebrochen und ihr anschließend alle Zähne gezogen und die Haut von den Fingerspitzen geätzt, damit man sie nicht so schnell identifizieren kann.« Er machte ein ärgerliches Gesicht. »Was denkst du, was ich getan habe? Sie werden ein paar Stunden schlafen und vermutlich ziemliche Kopfschmerzen haben, wenn sie aufwachen. Und sie werden das Wochenende im regnerischen Brüssel verbringen müssen statt im verregneten Rom.«
    Er ergriff sie eine Spur grober am Arm, als notwendig gewesen wäre, und drehte sie herum. »Lass uns gehen. Unser Flug ist schon aufgerufen.«
    Etwas an der Art, wie er sie durch die Tür schob und auf den Gang hinausbugsierte, machte ihr Angst. Sie wusste noch immer mit unerschütterlicher Sicherheit, dass Benedikt ihr niemals etwas zuleide tun würde, und trotzdem sollte sie sich im Moment hüten, ihm noch einmal zu widersprechen.
    Manchmal war es ihr, als gäbe es zwei Benedikts, die so grundverschieden waren, wie es nur sein konnte, und die nur rein zufällig denselben Körper bewohnten, um dessen Vorherrschaft sie sich stritten. Zumeist gewann wohl der Benedikt, der sie vor Darkovs Söldnern gewarnt und sein eigenes Leben – mehr als einmal – riskiert hatte, um sie zu schützen. Aber manchmal …
    Benedikt ließ ihren Arm los, machte zwei rasche Schritte und nahm im Gehen das Handgepäck der beiden Fluggäste auf, die er in der Toilette eingesperrt hatte: einen schwarzen Handkoffer aus Leder und eine jener Kombinationen aus Umhängetasche und Rucksack, die seit ein paar Jahren immer mehr in Mode kamen, ohne dass Rachel ihren praktischen Nutzen bisher hatte erkennen können. Keiner der Umstehenden nahm Notiz davon, aber Rachel empfand eine zwar völlig widersinnige, aber dennoch gerechte Empörung.
    »Musst du sie jetzt auch noch bestehlen?«, fragte sie.
    »Wir können das Gepäck gerne hier lassen«, antwortete Benedikt. »Vorausgesetzt, du möchtest, dass man es findet und sich vielleicht auf die Suche nach den dazugehörigen Passagieren macht.«
    Er bugsierte sie mit – diesmal wirklich – sanfter Gewalt ans Ende der allmählich vorrückenden Schlange und Rachel schluckte den Rest dessen herunter, was ihr auf der Zunge lag. Einen ziemlich großen Rest, an dem sie fast zu ersticken meinte. Selbstverständlich hatte Benedikt Recht, wie fast immer, wenn es um die ganz spezielle Art ging, auf die er seinen Lebensunterhalt verdiente.
    Aber das änderte nichts. Das änderte ganz und gar nichts. Sie war wütend, und dass ein Teil von ihr hartnäckig darauf bestand, gar kein Recht dazu zu haben, machte es beinahe noch schlimmer. Sie wollte wütend sein. Möglicherweise auf sich selbst.
    Alles war so … so unglaublich schnell gegangen. Auf der Liste all dessen, was man ihr anlasten konnte, stand das, wobei sie Benedikt gerade geholfen hatte, vermutlich ganz unten, und doch war es für sie bisher das Schlimmste. Trotz allem hatte sie sich bisher immer noch damit trösten können (vielleicht auch selbst belügen, aber wenn, dann zumindest glaubhaft), dass das Schicksal sie gewissermaßen überrollt hatte. Sie hatte ein paar Schwimmbewegungen machen können, um sich irgendwie über Wasser zu halten, aber die allgemeine Richtung hatte der reißende Strom bestimmt, in den sie gestürzt war.
    Was sie gerade getan hatte, das war jedoch ganz allein ihre Entscheidung gewesen. Vielleicht war es nur ein einzelner Schritt, aber ein Schritt in eine so fundamental falsche Richtung, dass er vielleicht ihr gesamtes weiteres Leben bestimmen würde.
    Wenn Benedikt auch nur mit einem Teil dessen Recht hatte, was er erzählte, würden das allerdings vielleicht nur noch ein paar Stunden sein.
    Sie sprachen nicht mehr miteinander, bis sie den Ausgang erreichten. Benedikt händigte der gestressten jungen Frau am Schalter ihre Tickets aus, und wahrscheinlich war Rachel die Einzige, der die winzigen Anzeichen von Nervosität auffielen, während er darauf wartete, dass sie den Computer mit ihren Tickets fütterte und ihm den übrig gebliebenen Abschnitt der Bordkarte aushändigte.
    Niemand versuchte sie

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