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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sanft geschwungenen Bogen zwischen den ansteigenden Hügeln hindurch, die die Landschaft hier am südlichen Rand der Apenninen bestimmten. Nicht allzu weit entfernt überspannte eine aus Bruchstein gemauerte Bogenbrücke ein schmales, aber tief eingeschnittenes Tal, in dem sich bisher wohl ein kleiner Fluss entlanggeschlängelt hatte.
    Jetzt war aus dem schmalen Flüsschen ein reißender Strom geworden, dessen schlammigbraune Fluten sich donnernd talwärts bewegten, und die Brücke – war verschwunden.
    Zwei der ehemals fünf oder sechs Bögen waren noch vorhanden, von einem dritten stand nur noch ein Fragment, über dem sich die verdrehten Enden abgerissener Eisenbahnschienen in den Himmel reckten. Die Stoßfänger der rot lackierten Elektrolok befanden sich weniger als fünfzig Meter von der Einsturzstelle entfernt.
    »Das war knapp«, murmelte Rachel. Sie zitterte innerlich immer noch vor Schrecken. Wenn der Lokführer auch nur wenige Sekunden später oder einen Deut langsamer reagiert hätte …
    »Knapper, als du denkst.« Benedikt deutete mit einem grimmigen Schürzen der Lippen auf die eingestürzte Brücke. »Fällt dir nichts auf? Sieh genau hin.«
    Rachel tat, worum er sie gebeten hatte. Was sie sah, jagte ihr einen neuen, eiskalten Schauder über den Rücken. Der Zug war gerade noch einmal davongekommen und vermutlich begriff der Großteil der Fahrgäste selbst jetzt noch nicht, wie knapp sie einer verheerenden Katastrophe entgangen waren. Dennoch war sie sicher, dass Benedikt mit seinen Worten etwas vollkommen anderes gemeint hatte.
    »Der Fluss hat die Brücke zum Einsturz gebracht«, sagte sie. »Und?«
    Benedikt schüttelte den Kopf. »Hat er nicht. Sieh genau hin. Dort drüben, am anderen Ufer. Siehst du die Steine?«
    Rachel gehorchte abermals und sie sah, was Benedikt meinte. Auf dem schlammigen Ufer waren Betonbrocken, Trümmer und zerborstener Fels verteilt, als hätte es Steine geregnet.
    »Und?«
    »Das war nicht der Fluss«, behauptete Benedikt. »Diese Brücke ist gesprengt worden.«
    »Gesprengt? Bist du sicher?«
    »Vollkommen«, sagte Benedikt. »Ich weiß, wie so etwas aussieht.«
    Vermutlich, weil er es selbst oft genug getan hatte, dachte Rachel. »Aber wer sollte …?«
    Was für eine dumme Frage. Benedikt machte sich nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten.
    »Ich begreife das nicht«, murmelte er. »Wie können sie wissen, wo wir sind?«
    »Du meinst, es waren deine Leute.« Auch das war keine Frage, sondern eine Feststellung, und auch darauf machte sich Benedikt nicht einmal die Mühe zu reagieren. Vielleicht hatte er sie gar nicht zur Kenntnis genommen. Rachel konnte regelrecht sehen, wie sich die Gedanken hinter seiner Stirn jagten.
    »Wir müssen verschwinden«, sagte er, nicht an Rachel gewandt, sondern mit leiser, fast verzweifelter Stimme an sich selbst. »Wenn ich nur wüsste, was sie vorhaben. Und wie sie uns so schnell finden konnten.«
    »Verschwinden?« Rachel kramte in ihren Gedanken, um sich wenigstens ungefähr zu orientieren. Sie schüttelte den Kopf. »Aber wohin denn? Die nächste größere Stadt ist Stunden entfernt!«
    »Die nächste größere Stadt ist maximal zehn Minuten von der nächsten Straße entfernt«, verbesserte Benedikt sie; eine Einschätzung, die ihr mindestens ebenso übertrieben optimistisch erschien wie ihre eigene Behauptung pessimistisch. »Aber das würde nichts nutzen. Sie würden uns dort genauso finden wie hier.«
    »Oder bei Uschi«, fügte Rachel hinzu. Sie gestand sich ein, dass sie einen schweren Fehler gemacht hatte, mit Benedikt hierher gekommen zu sein. Sie hatte in bester Absicht gehandelt. Sie war der Meinung gewesen – und war es immer noch –, dass Uschi in Gefahr war, und wenn sie tatsächlich auf Darkovs Liste stand, dann war diese Einschätzung vermutlich nur zu realistisch. Dennoch: Sie hätte nicht kommen sollen. Uschi zu warnen war allenfalls der zweitbeste Dienst, den sie ihr erweisen konnte. Der bessere wäre gewesen, sie in ihrer Anonymität zu belassen.
    Aber nun war es zu spät. Irgendetwas sagte ihr, dass es auch nichts mehr nutzen würde, auf der Stelle kehrtzumachen und nach Hause zu fahren. Sie hatte die Verfolger hierher geführt und sie würden Uschi nun so oder so finden. Alles, was ihr noch blieb, war, vor ihnen bei Uschi zu sein, um sie zu warnen.
    »Wie, verdammt?« Benedikt schüttelte immer wieder den Kopf und sah an sich herab. Schließlich begann er, mit spitzen Fingern seine Kleider

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